Chronologisch von oben nach unten: Zweite Amtszeit (2023), Bunt wie ein Regenbogen (2019)
Nürnberg Ahaa!
Zweite Amtszeit für das Frauenprinzenpaar
Endlich wieder Fasching! In der Saison 2019/2020 waren sie das erste queere Prinzenpaar Nürnbergs und halten diese Alleinstellung auch mit ihrer zweiten Amtszeit. Die Faschingsgesellschaft Crazy Dancers e.V aus Nürnberg-Reichelsdorf hat noch einmal Prinzessin Sena I. mit Prinz/essin Marcella I. im November für die Saison 2022/2023 inthronisiert. Das Ehepaar regiert nach zwei Jahren Pause wieder über das bunte Narrenvolk und ist schon jetzt terminlich viel unterwegs. „Wir fühlen uns super nach zwei Jahren wieder im Amt zu sein und mal wieder was zu erleben. Am meisten haben wir die ganzen Veranstaltungen und die Leute vermisst“, betonen die beiden nach zwei Jahren Zwangspause. „Nach den ersten Faschingssitzungen hatten wir das Gefühl, dass die Leute intensiver Fasching feiern weil alle wieder beisammen sein können.“ Nach zwei ausgefallenen Karneval-Saisons geht es nun wieder im ganzen Land kunterbunt zu. Vor drei Jahren hatten sie einen sehr großen Erfahrungsschatz ansammeln können. „Wir blicken positiv zurück, da die Leute sehr tolerant zu uns waren und sich gefreut haben, dass es ein gleichgeschlechtliches Prinzenpaar gibt. Sie waren alle sehr begeistert, dass wir den Mut dazu hatten. Wir wünschen uns für die queere Community, dass man sich nicht zu verstecken braucht, offen sein und sich zeigen kann, denn jeder Mensch ist gleich.“ GAYCON wünscht Prinzessin Sena I. und Prinz/essin Marcella I. eine tolle zweite Amtszeit. (NK)
GAYCON Januar 2023
Bunt wie ein Regenbogen
Nürnberg hat das erste Frauenprinzenpaar! Seit der Inthronisation durch die Faschingsgesellschaft Crazy-Dancers e.V. aus Nürnberg-Reichelsdorf Mitte November, ist das Ehepaar Marcella (29) und Senada Suljkanovic (25) offiziell im Amt. Als Faschingsprinz(essin) Marcella I. und ihre Lieblichkeit Prinzessin Sena I. werden sie über das Narrenvolk unter dem Motto „Bunt wie ein Regenbogen“ regieren. Damit hat endlich auch die Frankenhauptstadt Nürnberg das erste gleichgeschlechtliche Prinzenpaar. Die fränkische Provinz ist seit einigen Jahren mit Männerpaaren dabei! Oberfranken führt mit gleich zwei Paaren in den Geschichtsbüchern: Gerald Fischer & Dirk Stauch („Langstädter Fousanachtern“ 2015/2016), Ralf & Mathias Kühne („Coburger Narrhalla“ 2017) und Mittelfranken mit Stefan Knorr & Christof Reichel (Schwander „Carnevals-Club“ 2019/2020). Mit dem ersten lesbischen Paar wird nun trotzdem in Nürnberg queere Geschichte geschrieben. GAYCON traf die Prinzessinnen zum Interview und Fotoshooting im Nürnberger Handwerkerhof.
Dass die beiden offiziell wie üblich als Faschingsprinzenpaar betitelt werden, ist schon richtig und hat auch einen persönlichen Hintergrund. Marcella mag grundsätzlich keine Kleider und wollte deshalb kein Prinzessinnenkleid tragen. „Das letzte Mal als ich ein Kleid anhatte, war zur Kommunion. Nach der Zeremonie hatte ich mir sofort wieder eine Hose angezogen. Mein Opa wollte damals noch mit mir auf der Feier tanzen, aber ich war froh aus dem Kostüm zu sein“, lacht Marcella, die schon beim Kinderfasching gerne die Karnevalszeit erlebte. „Aber als Erwachsene macht Fasching deutlich mehr Spaß und ist lustiger, weil man mehr darf.“ Seit fünf Jahren ist sie in der Faschingsgesellschaft Crazy Dancers. Die Nichte tanzt in der Garde. Das war ihr Türöffner, sich wieder mehr für Karneval zu interessieren. Automatisch war die Partnerin mit dabei. „Ich wollte schon immer mal Prinzessin sein. Jetzt ist es wahr. Gerne würde ich alles haben, auch das Schloss“, lacht Senada, die mit einer zufälligen Wunschäußerung auf offene Ohren im Verein gestoßen war. Während einer Veranstaltung in der letzten Saison bekundete sie, dass sie gerne das Prinzessinnenkleid anziehen würde. Das Korn war gesät und sofort begann es zu keimen. Angie Moritz, aktuelle Hofdame der Crazy Dancers, zeigte sich sofort begeistert von der Idee. Sie hat den Verein von dem mutigen Schritt in die Öffentlichkeit überzeugt und die Idee „durchgeboxt“. Im Vorstand wurde darüber ausgiebig diskutiert. Heute freut sich der Verein, zwei wunderbar sympathische Menschen als Repräsentantinnen zu haben. Und alle Mitglieder stehen dahinter. Schon im Mai wurde das Paar gefragt, ob sie das Amt ausüben wollen. „Wir brauchten keine lange Bedenkzeit. Es waren nur Sekundenüberlegungen um ja zu sagen“, erinnert sich Marcella. „Sofort dachten wir an erste Büttenreden und was ziehen wir an?“
Medienrummel & Liebe
Dass ihr neues Amt so einen Medientrubel auslösen würde, hatten weder der Verein noch das Paar auf dem Schirm gehabt. Sowie der erste Artikel öffentlich war, stand das Telefon nicht mehr still. „Wir befürchteten auch negative Rückmeldungen. Doch wir sind positiv überrascht über so viel liebe Reaktionen, Nachrichten und Zeitungsberichte. Uns sprechen auch ganz viele Leute auf der Straße an“, freut sich Senada. „Generell sollte man sich als queere Person nicht verstecken. Wir sind wie andere Paare. Wir sind Menschen, die eben gleich behandelt werden wollen.“ Mit dem lesbischen Prinzenpaar ist der kleine Faschingsverein Crazy-Dancers mit seinen rund vierzig Mitgliedern plötzlich im Licht der Öffentlichkeit. Damals als reine Tanzgruppe im Mai 2007 gegründet, machten sich die Initiatoren November 2011 als Verein selbständig. Um sich von den anderen besser zu unterscheiden, blieb der ursprüngliche Name erhalten. Die Prinzessinnen sind das vierte Prinzenpaar des Vereins. Was sie besonders freut, sind die wissbegierigen Fragen vieler Kinder der eigenen Tanzgarden. „Sie stürmten auf uns zu und haben uns ausgefragt, auch über unser Coming out.“ Seit drei Jahren sind Marcella und Senada privat ein Paar. Ganz ohne Internet-Dating haben sie sich auf der damaligen queeren Party „Pink Indabahn“ im Nürnberger Hauptbahnhof zum ersten Mal gesehen. „Es blieb nur beim Blickkontakt und dann hatte ich sie in der Menschenmenge aus den Augen verloren. Doch Tage später kam eine gute Freundin vorbei und brachte Senada zufällig mit. Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Marcella. Der Heiratsantrag erfolgte im Juni 2017, die Hochzeit ein Jahr später im Juni 2018. Das gemeinsame Hobby Städtereisen zahlt sich ganz besonders zur CSD-Zeit aus. Denn dann geht es unter anderem in die Hauptstadt Berlin. Selbstverständlich ist der CSD Nürnberg ein „Pflicht“-Termin im Kalender.
Coming Out
Marcella hat Verkäuferin gelernt und arbeitet aktuell als Filialleiterin. Mit rund 16 Jahren wusste sie, dass sie lesbisch ist, hat es aber noch verheimlicht. Mit 18 Jahren kam das Coming out in der Familie. Die Mama hatte es natürlich schon vorher bemerkt, dass Marcella lieber mit den Jungs zum Fußballspielen unterwegs war. Marcella wollte in jungen Jahren sogar mal Fußballstar werden. Aktuell passiert es oft, dass Marcella mit Kerstin Ott verwechselt wird, egal ob auf den Städtetrips oder in Nürnberg. Ehefrau Senada ist gelernte Bäckereiverkäuferin, arbeitet jedoch aktuell im Schlaflabor. Das Coming out kam gezwungenermaßen: Als Senada 18 war, entdeckte ihre Mutter zufällig ein Foto mit ihrer damaligen Freundin und stellte ihre Tochter zu Rede, „was das denn zu bedeuten hat“. Inzwischen ist aber alles akzeptiert. Ihrem Papa war nur wichtig, dass sie glücklich ist. Beide Familien stehen hinter ihren Töchtern und sind ebenfalls im Faschingsverein aktiv. Aktuell genießen Marcella und Senada auch den Wirbel um ihr Amt. Durch die vielen Reaktionen sind sie aber etwas nervöser geworden, hinsichtlich ihres Zeitmanagements der vielen Termine. „Doch wenn die Resonanz weiterhin so positiv bleibt und uns die Untertanen folgen, könnten wir uns schon jetzt ein zweites Amtsjahr vorstellen“, lachen Marcella I. und Sena I. Übrigens, der Verein Crazy Dancers wird bei der CSD Nürnberg Demo 2020 mit dem Prinzenpaar Präsenz zeigen, wahrscheinlich sogar mit einem eigenen Wagen. Ganz ohne Frage natürlich schillernd und bunt wie ein Regenbogen.
Kontakt Faschingsgesellschaft Crazy Dancers Nürnberg
Text/ Foto Norbert Kiesewetter
GAYCON November 2019