Cronologisch von oben nach unten: Offener Brief an Oberbürgermeister 2015, Grüne Inge im Ruhestand (2012)
-Offener Brief- gay community nürnberg, 05. März 2015
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Maly,
GAYCON, das queere Infoportal für Nürnberg/ Franken, will sich in die Diskussion zur aktuellen Umgestaltung des Nelson-Mandela-Platzes einbringen. Die nächste Abstimmung zum Umbau des neuen Südstadt Platzes soll nun Mitte März 2015 erfolgen.
Laut Zeitungsbericht der NN vom 16. Januar 2015 soll bei der Umgestaltung der aktuelle Straßenname „Hinterm Bahnhof“ mangels Attraktivität verschwinden.
Wir schlagen vor: „Jürgen-Wolff-Allee“
Zum Gedenken und zur Würdigung an den in der Bevölkerung sowie in der Politik beliebten Stadtrat, der sich stets für die Belange der Frankenmetropole eingesetzt hat. Denn mit dem gegenüberliegenden Nelson-Mandela-Platz wird bereits ein überregional wichtiger Mensch geehrt. Deshalb sollte hier eine regionale Persönlichkeit für den zukünftigen prominenten Ort ausgesucht werden.
Nach den aktuellen Entwürfen werden entlang der neu gestalteten Straße zukünftig Bäume gesetzt, so dass der „Allee“ - Charakter gegeben sein wird. Ein weiteres Argument spricht für Jürgen Wolff: Er hat jahrelang in der Nähe, im Glockenhof-Viertel der Südstadt, gewohnt.
Aber das ausschlaggebende Argument ist, dass sich Jürgen Wolff als Stadtrat vehement dafür eingesetzt hatte, die ursprünglich geplante Südstadtautobahn entlang der Bahnstrecke (Frankenschnellweg – Hauptbahnhof – Tiergarten) zu verhindern. Der heutige Nelson-Mandela-Platz wäre eigentlich die Fläche für die geplante Autobahn gewesen. Ohne Einsatz von Jürgen Wolff könnten wir heute überhaupt nicht um die Gestaltung eines neuen Südstadtplatzes debattieren.
Außerdem lagen bzw. liegen auch heute noch zahlreiche Lokale und Einrichtungen der schwul/lesbischen Szene unweit des Nelson Mandela Platzes, wo einst Jürgen als Foto-Reporter für ein Nürnberger Szeneblatt unterwegs war. (Amico Bar, Petit Cafe, Chiringay, Savoy, Berts)
Wir finden, es sprechen viele Argumente für eine „Jürgen-Wolff-Allee“ als neuem Namen der heutigen „Hinterm Bahnhof“ – Straße. Damit wäre eine attraktivere Namensgebung für den neuen Südstadtplatz und erweiterten Bahnhofszugang gegeben.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Kiesewetter (und Klaus Hafner)
das queere Infoportal für Nürnberg & Franken
Norbert Kiesewetter, geb. am 1. Okt. 1971 in Nürnberg, aufgewachsen in Langwasser-Nord, selbständiger Journalist für die queere Nürnberger / Fränkische Szene.
Diese Idee wird von folgenden Vereinen/ Gruppen unterstützt: AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth e.V./ BarMänner in der Nordkurve/ Bi-Gruppe Nürnberg/ 1.FCN – Fanclub Norisbengel/ Fliederlich e.V./ Förderverein Christopher-Street-Day Nürnberg e.V./ Frauenzimmer e.V./ Leben unterm Regenbogen e.V./ Martina Schradi, Comiczeichnerin und Initiatorin des Projekts „Ach, so ist das?!“/ NLC Nürnberger Lederclub e.V./ Queer Culture Nürnberg e.V./ Queer Franken/ Rosa Panther Schwul-Lesbischer Sportverein Nürnberg e.V./ Die Schlampenlichter e.V./ Bernd Zöllner, Schwuler Eisenbahnstammtisch Nürnberg/ Die Trällerpfeifen e.V./ Trotzdem e.V.
Die Umbenennung zur "Jürgen-Wolff-Allee" unterstütze ich gerne. Jürgen hat eine bleibende Erinnerung in der Nähe seiner Wohnung verdient. Als langjähriger Stadtrat, Fotograf, Kulturschaffender und
Förderer der schwullesbischen Szene hat er für die gesamte Stadt großartiges geleistet.
Jürgen bleibt eine Ikone der Schwulenbewegung in Deutschland. Ich finde es großartig, ihn posthum mit einer Straße zu ehren.
Natürlich befürworte ich das. Jürgen hatte in unvergleichlicher Art und Weise sich für die Belange der schwullesbischen Szene eingesetzt und darüber hinaus für die Kunst- und Kulturpolitik in
Nürnberg Weichen gestellt. Mit seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat und dann seinem Tod sind die Verbindungen der Kunst- und Kulturszene, und zwar der sobez. Soziokultur, abgeschnitten worden.
Eine sehr gute Idee! Jürgen soll unvergessen bleiben.
Schade, dass ihr Uschim Unsinn nicht mit auf die Liste gesetzt habt
Da bin ich definitiv dafür. Im Namen vom "Alt Prag" und "La Bas". Jürgen Wolff hätte zwar nie so viel aufsehen um seine Person haben wollen, doch wir wollen uns an ihn auch in Zukunft erinnern. Danke
„Grüne Inge“ im Ruhestand
Nach fast 40 Jahren als Nürnberger Stadtrat beendet Jürgen Wolff (70) Ende Januar seine politische Karriere. Ein Hausbesuch am Barockgarten.
Seit November lebt Jürgen in der Senioren-Wohnanlage St. Johannis. Nach einer Serie gesundheitlicher Probleme musste er nach der Reha widerwillig seine Wohnung in der Zeltnerstraße eintauschen. Im Stadtteil Johannis fühlt er sich inzwischen wohl, zwischen „Friedhof, Klinikum und großem Balkon“. Jürgen Wolff ist gelernter Malermeister und hatte 20 Jahre sein eigenes Geschäft. Als Hobbyfotograf betrieb er außerdem eine Galerie und einen Verlag, bei dem er fränkische Mundart wie bspw. Fitzgerald Kusz „Schweig Bub“ und Günter Stössel „Nämberch englisch spoken“ veröffentlichte. „Es war wirtschaftlicher Schwachsinn, aber es hat Spaß gemacht“, lacht Jürgen. Aber die Politik war seine große Leidenschaft. 1961 fand er zuerst in der SPD seine politische Heimat. Seit 1. Juli 1972 ist er im Nürnberger Stadtrat. „Ich habe die Nürnberger Grünen nicht mitgegründet“, stellt Jürgen klar. „Im Herbst 1981 bin ich aus der SPD ausgetreten und war danach bei der „Unabhängigen Alternativliste“ bis Ende 1982 dabei. Erst seit Frühjahr 1983 bin ich bei den Grünen.“
Als offen schwul lebender Mann macht es ihn stolz, dass er den Emanzipationsprozeß der Schwulen-Bewegung aktiv mit vorantreiben konnte. „Es war eine Epoche des Aufbruchs. Die AIDS-Problematik brachte schlimme Vokabeln in die Sitzungen“, erinnert sich Jürgen. „Es folgten viel mehr Diskussionen über Sexualität. Wir mussten alles erkämpfen.“ Gerade mit der CSU ist er heftig Schlitten gefahren, weil einer ihrer Vertreter damals die Nürnberger Schwulenpost NSP verbal mit RAF-Flyern verglich. „Diese kleinen Erfolge stimmen mich froh, die Schritte gewagt und dazu beigetragen zu haben, dass die ‚Schwulen- und Lesbengala‘ heute ein gesellschaftlicher Höhepunkt ist und dass Homosexuelle mit oder ohne Partner in Nürnberg ganz selbstverständlich leben können.“
Im Privatleben war er zuerst in einer Heteroehe liiert. Die Entdeckung der Homosexualität kostete Jürgen aus, während die Schwiegermutter genau deswegen den Psychater empfahl. „Ich war eine Wildsau“, lacht Jürgen. „Ich führte ein zügelloses Leben, aber ich hatte viel Spaß dabei. Damals war Klappensex durchaus gefährlich, aber es war der Beginn einer emanzipatorischen Phase.“ In der Nürnberger Schwulenszene fühlt er sich zuhause. Seine Bekannten erfanden damals den Spitznamen ‚Inge‘, weil er die erste Variante ‚Vera‘ nicht ausstehen konnte. Mit dem Parteiwechsel wurde schließlich aus der ‚Roten‘ die ‚Grüne Inge‘. Sein Abschied von der politischen Bühne tut ihm nicht weh. „Ich bin heilfroh, dass ich nicht mehr sieben Abende in der Woche bei zweifelhaften Diskussionen, Premierenterminen oder als Lobbyist dabei sein muss. Das tut mir gut,“ meint Jürgen.
Am 25. Januar benötigt sein Antrag auf Freistellung vom Mandat allerdings noch den Beschluß des Stadtrats. So verlangt es die Gemeindeordnung. Männern wie Jürgen haben haben wir zu verdanken, dass wir heute in weiten Bereichen gleichberechtigt schwul leben können, dafür ein großes Danke.
Text & Fotos Norbert Kiesewetter
LEO-Magazin Januar 2012