(K)ein Gott für alle?
Die Landessynode beschloss in der Nacht auf den 19. April 2018 in ihrer Sitzung, dass die öffentliche Segnung von homosexuellen Paaren in der bayerischen evangelischen Landeskirche künftig erlaubt ist. Trotz heftiger Diskussionen und jahrelanger Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern, wurde nun ein Kompromiss gefunden und mit zwei Dritteln der Stimmen des Kirchenparlaments angenommen. GAYCON besuchte dazu drei Stellvertreter des Orga-Teams vom QueerGottesdienst Nürnberg, Silvia Jühne (50), Helmut Schemm (41) und Christof Pfaller (49), in der Johanniskirche auf dem Nürnberger Johannisfriedhof zum Interview.
Durch den Bundestagsbeschluss zur „Ehe für alle“ im Sommer 2017 ist die christliche Kirche insgesamt noch mehr in Zugzwang geraten, Stellung zu nehmen, wenn ein schwules Männer- oder lesbisches Frauenpaar ihre Liebe auch vor Gott besiegeln möchte. Auch in der katholischen Kirche Deutschlands wird darüber diskutiert. Ihren Segen spenden die Katholiken nicht nur Ehepaaren und Kindern, sondern auch Haustieren, Autos, Zügen und Fahrrädern. Homosexuellen Paaren verweigert sie bisher diese Bitte. Die Forderung, dass sich die katholische Kirche für die Segnung homosexueller Paare öffnen soll, kam von Franz-Josef Bode, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, im Januar dieses Jahres. Ein Vorstoß, der auch in Bayern bei Gläubigen und Pfarrern auf einen guten Nährboden fiel. Papst Franziskus und die deutschen Bischöfe betonen regelmäßig, dass Homosexuelle nicht diskriminiert werden dürfen. Allerdings sei das Ausleben der Homosexualität nicht erwünscht, stellte der Heilige Vater klar. Die evangelische Kirche ist schon weiter. Bisher galt in Bayern die „Fürther Erklärung“ von 1993, dass öffentliche Segenshandlungen für homosexuelle Paare nicht möglich seien. Mit dem aktuellen Kompromiss der Synode 2018 sind Pfarrer/-innen nur noch ihrem Gewissen verpflichtet und dürfen selbst entscheiden, auch homosexuellen Paaren den Segen zu erteilen. Allerdings soll in diesem Fall nicht der Begriff „Trauung“ wie bei Heterosexuellen verwendet werden. Das Versteckspiel hat damit ein Ende. Nun sind öffentliche Segnungen möglich. Gegner begründen ihre konsequent ablehnende Haltung mit entsprechenden Bibelpassagen. Doch in Bezug auf beispielsweise Rechtsstaat, Medizin oder Wissenschaft käme wohl kein Mensch in unserem aufgeklärten Teil der Welt auf die Idee, sechstausend Jahre alten Schriften einen aktuellen Gültigkeitsstatus zu verleihen. Man gewinnt schon den Eindruck, dass sich viele Menschen, die sich selbst als Gläubige sehen, gerne Sätze speziell in Bezug auf (Homo)sexualtität aus der Bibel suchen. Sie halten sich selbst aber nicht an die Heilige Schrift, wenn es etwa darum geht, alle Habe zu verkaufen, um das Geld den Armen zu geben. Über den Unterschied zwischen Predigen und Ausleben in Bezug auf das Sexualleben kirchlicher Amtsträger sind die Medien in zahlreichen Facetten bedient, das würde hier den Rahmen sprengen. Die Kirchen wissen, dass ihnen auch deshalb die Mitglieder in Scharen davonlaufen. Doch einige aus unserer Community bleiben, wollen die Kirche von innen heraus umwandeln und kehren ihr deshalb nicht den Rücken. Sie nehmen den steinigen Weg in Kauf, den eine solche umfassende Wandlung braucht. Und werden Stück für Stück belohnt. Sie suchen mindestens einmal im Monat auch die Gemeinschaft untereinander. Das gibt ihnen Kraft im Alltag. Beim QueerGottesdienst.
Alles erreicht?
„Beim Thema Homosexualität scheiden sich die Geister. Überflüssig werden wir nicht, auch wenn die Landeskirche und der Bischof sich nun öffnen. Ich freue mich, dass mit einer deutlichen Mehrheit von zwei Dritteln auf der Synode der Kompromiss für die Segnung homosexueller Paare beschlossen wurde. Ein langer Weg. Es war ganz wichtig, die Hardliner, also die Gegner, die die Bibel wortwörtlich befolgen, mit ins Boot zu holen“, betont Silvia Jühne, Pfarrerin und Beauftragte für Homosexuelle und Kirche im Evangelisch-Lutherischen Dekanat Nürnberg. „Warum die Hardliner auf ihrer gegnerischen Meinung bestehen, kann ich theologisch gar nicht verstehen. Vielleicht fühlen sie sich psychologisch in ihrer persönlichen Entscheidung angegriffen. Vermutlich wollte auch die Synode das Thema ohne große Aufmerksamkeit umsetzen, sonst wäre die Abstimmung nicht um Mitternacht gewesen.“ Seit 1993 wurde intern darauf hingearbeitet, eine neue Regelung innerhalb der Bayerischen Landeskirche zu finden. Ein Versuch im Jahr 2003 scheiterte. Vor etwa sechs Jahren öffneten sich erste Landeskirchen, wie die Sächsisch-Lutherische Kirche, die eigentlich zu den Hardlinern gehört. Mit dem Impuls aus dem Bundestag wurde nun die Agenda ausgearbeitet. „Segnungen in Bayern gibt es schon lange. Allerdings bewegten sich alle Beteiligten in einer Grauzone. Der jeweilige Kirchenvorstand musste zuerst einen Beschluss fassen, damit ein Paar deren Kirche nutzen durfte. Und dann musste das Paar noch einen Pfarrer finden. Ich kenne ein Paar, das hatte wochenlang keine Kirche gefunden, denn gerade in ländlichen Gemeinden war es schwierig“, berichtet Silvia von der bisherigen umständlichen Praxis. „Pfarrer, die jetzt trotzdem den Segen verweigern, weil sie sich auf ihr Gewissen berufen, werden schnell bekannt sein und kaum mehr angefragt werden. Nach meinen Informationen muss den anfragenden Paaren aber auch von ihnen eine Alternative angeboten werden.“
Motivation
Das ökumenische Vorbereitungsteam aus Theologen und Laien besteht beim Nürnberger QueerGottesdienst aus rund 10 Personen. Stellvertretend sind drei Team-Mitglieder zum Interview erschienen. Mit Silvia Jühne ist eine Pfarrerin aus dem Nürnberger Dekanat dabei. Seit 2007 mischt sie im QueerGottesdienst mit. 2001 fuhr sie extra aus Kitzingen zur ihrer ersten queeren Andacht nach Nürnberg. „Das Thema LSBTI*Q liegt mir einfach am Herzen. Es gibt immer noch große Scheren in den Köpfen. Das will ich zur Sprache bringen. Vor allem sollten wir keine Angst vor konservativen Menschen haben, die einem den Glauben absprechen. Aber auch szenekritische Punkte bringen wir in den Gottesdiensten an, wie zum Beispiel den Hype um Äußerlichkeiten und Aussehen“, beschreibt Silvia, ihre Motivation dabei zu sein. „Es ist nicht einfach für Homosexuelle in der Kirche. Es gibt viele Nachteile. Oft ist die Kirchenleitung nicht kritikfähig. Bei meinem bisexuellen Coming out nach dem Studium hatte ich gedacht: muss das auch noch sein? Aber: Du bist eben wie du bist. Zwischen Gott und mir ist das kein Problem. Er hat mich ja so gemacht wie ich bin.“ Helmut Schemm (41) ist Marketingmanager in der Diakonie Neuendettelsau. Den ersten Kontakt mit dem Queergottesdienst hatte er im Jahr 2005 als Student im Praxissemester. Beruflich hatte es ihn danach nach Nordrhein Westfalen verschlagen. Seit 2013 ist er wieder zurück im Frankenland. Erst als Besucher und nun seit einem halben Jahr im OrgaTeam vom QueerGottesdienst. „Schwulsein und Gottesdienst schließen sich nicht aus. Ich finde hier keinen Widerspruch“, betont Helmut. „Ich war früher auch in der Jugendarbeit aktiv. Wenn die Leute damit nicht klar kommen, dann ist das ihr Problem.“ Aus Ansbach kommt Bankkaufmann Christof Pfaller. Er stammt aus einem kirchlich-christlichen Elternhaus. Seit 2005 ist er im QueerGottesdienst dabei, die ersten zwei Jahre nur als Besucher. „Hier kann ich Ich sein. Ich wollte für mich etwas tun. Es hat mir hier von Anfang an gut gefallen. Durch die wechselnden Teams sind die Gottesdienste bunt und verschieden. Ich bin mit Herzen, Mund und Händen dabei“, beschreibt Christof seine Motivation. In Ansbach vermisst er diese Offenheit.
Stadtteil Johannis
Homosexuelle Gläubige brauchen zeitweise auch seelsorgerliche Unterstützung. Denn ein Coming out ist für Christen ein Gewissensakt, der unter Umständen gravierende Folgen im Lebensumfeld für die einzelnen Personen hat. „Es erfordert sehr viel Mut, sich dem zu stellen. Denn es gibt einen großen Unterschied, ob man in einem liberalen oder konservativen christlichen Elternhaus aufgewachsen ist. Das kann bis zum Rauswurf gehen“, betont Silvia, die weiß, dass gerade Worte wie ‚Sündhaft, Krankheit und Entscheidung‘ für viele queere Gläubige eine Last darstellen. „Aber auch die Frage, wie der Glaube mit der eigenen Homosexualität zusammengeht, treibt jede und jeden persönlich um. Wichtig ist, die Bibelstellen im Kontext ihrer Zeit zu sehen.“ Beim QueerGottesdienst steht jedoch das Spirituelle im Mittelpunkt. Ausgangspunkt war das Bedürfnis, neben den kirchenpolitisch orientierten Angeboten der Arbeitsgruppe „Homosexuellen und Kirche (HuK)“ ein regelmäßiges spirituelles Angebot für die Lesben und Schwulen in der Region zu etablieren. Ab März 2001 wurden vier Jahre lang die ersten QueerGottesdienste im Heilig Geist Spital gefeiert. Wegen dem Verkauf und jahrelangen Umbau dieser Räumlichkeiten wurden in einer Übergangszeit in St. Jobst die Andachten abgehalten. Doch dort war die Erreichbarkeit nicht optimal. So bietet seit September 2005 die älteste unzerstört erhaltene Kirche Nürnbergs, die St. Johannis-Kirche auf dem wohl berühmtesten Friedhof der Frankenmetropole, einen geeigneten Raum. Während früher zwischen 50 bis 60 Besucher dabei waren, sind es aktuell zwischen 20 bis 30. Seit 2008 fühlt sich das OrgaTeam auch für den jährlichen CSD Gottesdienst mit rund 100 Besuchern in St. Jakob verantwortlich. „Durch die jahrelange Diskussion über die ‚Ehe für alle‘ hat sich aber auch in den Gemeinden vor Ort viel weiterentwickelt. Somit bringen sich heute viele Homosexuelle vor Ort ein, die früher bei uns waren. Doch wir sind ökumenisch offen, feiern den Gottesdienst jedes Mal mit Abendmahl und orientieren uns an den Themen des Kirchenjahres“, erzählt Silvia. „Im Team entwickeln wir die Gottesdienstpredigt immer auf Basis eines Bibeltextes und in Verbindung mit den Themen, die uns aktuell bewegen. Es ist jedes Mal schön, man nimmt aus jedem Gottesdienst etwas mit, gerade weil auch Laien im Vorbereitungsteam dabei sind“, betont Christof.
Text/ Fotos Norbert Kiesewetter
GAYCON April 2018
Kontakt: Die Homepage vom QueerGottesdienst ist nach längerer Pause, aber dafür runderneuert, online. Immer am dritten Sonntag im Monat um 19:00 Uhr findet der Gottesdienst in der St. Johanniskirche auf dem Nürnberger Johannisfriedhof (Ecke Brückenstr./ Johannisstr.) statt. Danach wird in geselliger Runde im Café Dampfnudelbäck (Johannisstr. 34) geplauscht. Ausnahme ist der Monat August: Dann wird der CSD-Gottesdienst um 11:30 Uhr am ersten Sonntag bzw. am CSD Wochenende in der St. Jakobkirche am Jakobsplatz abgehalten.