„Der tollste Job der Welt!“
Die Regenbogenfahnen wehen vor dem Künstlerhaus, auf dem Glas-Kubus prangt ein großes Transparent und in der ganzen Stadt leuchten die pinkfarbenen Plakate von den Aufstellern und Werbetafeln. Der diesjährige Menschenrechtspreis an die lesbische Aktivistin Kasha Jacqueline Nabagesera sorgt auch beim ‚Nürnberger Filmfestival für Menschenrechte’ für einen Schwerpunkt beim Kampf um LGBTI – Rechte. Wir sprachen mit Festivalleiterin Andrea Kuhn im Festivalzentrum Künstlerhaus.
Unter dem Namen ‚Nuremberg International Human Rights Film Festival (NIHRFF)’ hat es sich einen weltweit bekannten Namen erarbeitet. Alle zwei Jahre, immer im Anschluss an die Verleihung des Menschenrechtspreises, findet es statt, heuer zum achten Mal. Die Spielorte sind Filmhauskino, Kommkino und Festsaal im Künstlerhaus sowie CineCittà und Tafelhalle. Außerdem vergibt das Festival den Internationalen Nürnberger Filmpreis der Menschenrechte, einen Publikumspreis und den Preis der Open-Eyes-Jugendjury. Musikalisches Abendprogramm, Lesungen und Wortveranstaltungen runden das Festival ab.
„Der Film war schon immer meine Leidenschaft, schon seit der Kindheit. Als Filmwissenschaftlerin unterrichtete ich acht Jahre an der Uni Erlangen. Außerdem war ich im Kulturbereich tätig, habe beispielsweise 2001 die Erlangener Stummfilmmusiktage betreut“, berichtet Andrea Kuhn (42) über ihren Werdegang. „Weil ich einen Tapetenwechsel wollte, hatte ich 2007 gekündigt. Genau zu dieser Zeit kam die Anfrage aus Nürnberg, ob ich mir vorstellen könnte, das NIHRFF zu leiten. Der Zufall wollte es, dass der Filmfestgründer ebenfalls gekündigt hatte. Es war ein Glücksfall für mich, denn ich hatte schon immer geplant, ein Filmfest zu leiten. Es ist der tollste Job von der Welt.“ Inzwischen ist das beliebte Filmfest international vernetzt und bekannt. „Mehr als in Nürnberg“, betont Andrea. Im Internationalen Verband sind 34 Menschenrechtsfilmfeste organisiert. Weltweit gibt es bis zu 60 Veranstaltungen dieser Art. „Bei uns stehen die Filmemacher im Mittelpunkt und das schätzen die Filmleute. Durch unsere entspannte Atmosphäre und weil man sich inzwischen kennt, ist es leichter, Premieren und Regisseure zum Fest nach Nürnberg zu holen“, erzählt Andrea, die auch stolz darauf ist, dass durch die Nürnberger Vernetzung auch schon neue Filmprojekte entstanden sind. „Inzwischen bieten wir auch anderen Festivalmachern eine gute Plattform und Vernetzung oder helfen bei der Gründung eines eigenen Menschenrechtsfilmfestes in ihrem eigenen Land. Wobei es in manchen ‚exotischen‘ Staaten problematisch ist, eine filmische und thematische Grenze zu ziehen, damit deren Festival nicht durch Gesetzesverletzungen in Gefahr gerät.“
Das Nürnberger Filmfest ist schon immer an den Menschenrechtspreis gekoppelt. Je nachdem, wer die Auszeichnung erhält, versucht das Festivalteam eine ansprechende qualitativ hochwertige Sonderfilmreihe entweder passend zum Thema des Preisträgers oder zum Herkunftsland anzubieten. Die Filme sollten eine gewisse Aktualität aufweisen und möglichst vorher nicht in Nürnberg zu sehen gewesen sein. „In diesem Jahr hätten wir auch das Motto Afrika nehmen können, doch wir haben uns für Lesben und Schwulenrechte entschieden, ein weltweit aktuellesThema. Leider fanden wir keinen angemessenen Beitrag über Deutschland, dafür sind Uganda, Indien, die Türkei, Hollywood und Europa in der Sonderfilmreihe vertreten. Als lesbische Festivalleiterin freue ich mich wie eine Schneekönigin, queere Filme über mein Netzwerk zusammengetragen zu haben.“ Erfahrungsgemäß spielt das Wetter bei den Besucherzahlen eine deutliche Rolle. Beim letzten Mal waren rund 10.000 Zuschauer in den Kinosälen. Beim NIHRFF-Festival gibt es auch spezielle Angebote für Schüler mit anschließenden pädagogischen Diskussionen. Allerdings hängt die Aufmerksamkeit dieser jungen Besuchergruppe von der Filmform ab. „Experimental geht gar nichts und bei manchen Dokumentationen sind die Jugendlichen geschockt!“, berichtet Andrea von ihren Erfahrungen. „Mir fällt auf, dass sogar bei deutschen Untertiteln viele Schüler nicht schnell genug mitlesen können. Oft sind die anschließenden Diskussionen emotional mit Wut, Tränen und Aussagen wie ‚Was soll ich damit?‘ behaftet. Ich entgegne dann, dass es wichtig ist zu wissen, welche Ereignisse in der Welt passieren. Gerade für junge Leute vor Ort.“
Text/ Foto Norbert Kiesewetter
GAYCON Oktober 2013