Schärpe bleibt in Franken
Benji Waters (31) aus Nürnberg ist der neue Bavarian Mister Leather 2020 und damit Repräsentant der gesamtbayerischen Leder- und Fetischszene! Im Rahmen des 18. Starkbierfestes vom Münchner Löwen Club (MLC) bekam Benji am zweiten März-Donnerstag im ausverkauften Oberanger-Theater die meisten Stimmen der anwesenden Gäste. Damit bleibt die Schärpe weiterhin in Franken! Bereits 2017 holte Manfred Herbst, 2019 gefolgt von Stefan Modschiedler, die Auszeichnung ins Frankenland (GAYCON berichtete). Wegen der Corona-Krise mussten einige größere Rahmenveranstaltungen zum Starkbierfest kurzfristig abgesagt werden. Auch unser GAYCON Interview-Foto-Shooting mussten wir für diesen Bericht verschieben. Darum erstmal Bilder vom Münchner Wahlabend, das Interview selbst haben wir diesmal per Email geführt.
„Tatsächlich bin ich ganz entspannt nach München gefahren und hatte mich sehr gefreut auf die bevorstehenden Tage. Es braucht auch immer eine Weile, bis das wirklich ankommt im Kopf: Sie haben dich tatsächlich zum Mister gewählt. Ich glaube auch, dass dieses Corona-Thema jetzt natürlich vieles in den Schatten stellt. Der Mister-Titel wird erst richtig ankommen, wenn ich die ersten offiziellen Termine wahrnehmen darf“, betont Benji. „Aufgeregt war ich tatsächlich erst so richtig am Tag der Wahl selbst und das vor allem den Tag über. Als ich dann im Oberangertheater angekommen war, hat sich die Aufregung wieder gelegt. Ich lebe in so einer Situation einfach den Moment und sehe es locker. Wenn es so sein soll, dass ich gewinne, dann ist es so. Wenn nicht, dann halt nicht.“ Natürlich hat er sich gefreut, als sein Name genannt wurde. Aber ein Gefühl der Siegessicherheit hatte er vorher nicht. „Ich habe mir durchaus Chancen auf den Gewinn ausgemalt und bin natürlich auch mit dem Ziel angetreten, zu gewinnen. Dennoch habe ich meinen Mitbewerber nicht als Gegner gesehen. Wir haben uns gut verstanden, uns gegenseitig Mut zugesprochen, hinter der Bühne auch viel gelacht und zur Auflockerung herumgeblödelt“, berichtet der frischgebackene Mister. „Ich glaube, ich konnte das Publikum von mir überzeugen, weil ich natürlich geblieben bin.“ Aufgrund seiner Heimatverbundenheit ist Benji seit Jahren Mitglied des MLC München. Wegen der Entfernung kann er sich im Club nicht so intensiv engagieren, wie er gerne möchte. Er hatte schon einige Mister-Wahlen erlebt und sich über eine Bewerbung Gedanken gemacht. „Den letztlich entscheidenden Anstoß hat Stefan Modschiedler gegeben. Seit August 2019 hat er mich immer wieder darauf angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, ob das nicht auch was für mich wäre“, erzählt Benji, der sich nach vielen langen Gesprächen zu dem Schritt entschieden hat. „Mit der Bewerbung wollte ich auch mein Engagement für den MLC Verein zum Ausdruck bringen.“
Wahlfranke
Geboren ist Benji Waters in Augsburg, aufgewachsen am Rand der Stadt in Dasing. Sein Coming Out hatte er mit 16 Jahren. Die Geschwister hatten es sofort locker aufgenommen. Doch weil er in einem traditionell katholischen Haus aufgewachsen und entsprechend erzogen worden war, brauchten seine Eltern einige Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. „Allerdings war eines immer klar, meine Eltern lieben mich genauso wie ich bin, da kamen nie Zweifel auf“, betont Benji. „Meine ersten Fetisch-Interessen haben sich in dieser Zeit ergeben. ‚Normal‘ fand ich irgendwie schon immer langweilig. Alles begann damals, als ich meine Ausbildung auf einer Privat-Schule in München absolvierte. Da bin ich dann in die Szene gekommen…“ Gelernt hat er gleich zwei Berufe: CTA (Chemisch-Technischer Assistent) und Kaufmann für Dialogmarketing. Aktuell arbeitet er als Projektmanager. Seit 2015 wohnt der Wahlfranke in Nürnberg. Inzwischen fühlt er sich sehr wohl in der fränkischen Region, gleichzeitig vermisst er seine ursprüngliche Heimat. „Nürnberg ist eine schöne Stadt, nicht zu groß und nicht zu klein. Ich schätze die Altstadt und dass man auch alles noch zu Fuß erreichen kann. Auch die vielen Freizeitmöglichkeiten im Stadtgebiet und im Umland sind super. Man kann die Natur genießen, Outdoorsport betreiben oder auf den Spuren geschichtlicher Ereignisse wandeln“, schwärmt Benji von der Frankenmetropole. „Außerdem ist Nürnberg auch für Reisen ein guter Ausgangspunkt. Egal ob nach Berlin, München, Frankfurt oder nach Köln“.
Pläne für die Amtszeit
In der aktuellen Corona-Krise ist die Auswirkung auf die kommende CSD-Saison noch nicht wirklich abschätzbar. Erste Prides wie London, Tokio, Los Angeles oder Wien wurden abgesagt oder verschoben. Auch für den neuen Mr Leather hat es natürlich Priorität, auf die Community zu achten und wenn nötig, zum Schutz Aller lieber CSD-Absagen in Kauf zu nehmen. „Denn eines ist sicher, die Zeit auf die Straße gehen zu können, um Flagge zu zeigen, wird wieder kommen“, ist er überzeugt. „Auch wenn wir schon viel erreicht haben und immer mehr Akzeptanz und Toleranz erfahren, ist es wichtig, mit den CSD-Veranstaltungen Präsenz zu zeigen. Bis es auch beim letzten Bürger im Kopf angekommen ist, dass wir LGBTTIQ* auch ganz normale Menschen sind und dementsprechend auch gleich behandelt werden müssen.“ Er findet, man muss auch darauf achten, dass die CSDs nicht zu reinen Party-Veranstaltungen verkommen. Das wäre für ihn ein Rückwärtsschritt. So wie das Feiern und die gute Laune zum Pride dazu gehören, dürfe auch der politische Gedanke der Demonstrationen nicht vernachlässigt werden oder gar in Vergessenheit geraten. „Ich stehe für Sichtbarkeit und Vielfalt. Als Vertreter der bayerischen Leder- und Fetischszene ist es mir wichtig zu zeigen, dass Fetisch viele Facetten hat, so wie auch Menschen ganz viele Facetten haben. Natürlich steht mein Engagement darüber hinaus für unsere gesamte Szene. Meine Erfahrung zeigt, auch wenn es sich nicht immer so anfühlt, so sitzen wir doch als LGBTTIQ*-Szene alle im selben Boot und müssen an einem Strang ziehen, um voranzukommen.“
Text: Norbert Kiesewetter
Fotos: Erwin Harbeck
GAYCON März 2020