Chronologisch von oben nach unten: Mr Fetish Germany (2013), Kohlkönig Bremen (2013)
„Die Kaiserstadt hat einen Kaiser!“
Mit diesen Worten bekam Daniel Hiller, Vorstandsmitglied des Nürnberger Lederclubs und derzeit amtierender Kohlkönig von Bremen, die MR FETISH GERMANY 2013 - Schärpe am ersten Oktoberwochenende in Bremen überreicht. Im Rahmen der „Fetish unity weekend“ Delegiertenversammlung, bei der sich die in der LFC Leder und Fetisch Community organisierten Leder- und Fetischclubs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen, wurde als Höhepunkt nun zum dritten Mal die MR FETISH GERMANY Wahl abgehalten. Gastgeber war in diesem Jahr der LCNW e.V. Bremen.
Beim Nürnberger CSD 2011, auf die Anfrage des damals amtierenden Mr. Leather Bavarian, ob er sich nicht auch mal zur Wahl stellen würde, antwortete Daniel noch „ich möchte niemals einen Titel tragen“. Doch dann wurde er zum Kohlkönig von Bremen gewählt und aktuell zum MR FETISH GERMANY – darauf ist natürlich auch der Nürnberger Lederclub stolz. An der Wahl können grundsätzlich nur Inhaber eines regionalen Titels teilnehmen, der durch einen LFC Mitgliedsclub vergeben wird. „Es gibt keinen Zwang mitzumachen, aber mir war schnell klar, dass ich als Bremer Kohlkönig schon eine gewisse Verpflichtung hatte. Außerdem war es dann doch ein Anreiz für mich, mal bei einer Mr.-Wahl dabei zu sein und Spaß zu haben. Aufgrund der starken Gegner rechnete ich mir aber keinerlei Chancen aus“, bekennt Daniel, dem es bei der Verkündung der Wahlergebnisse sprichwörtlich die Sprache verschlug. „Es gab keinen Konkurrenzdruck hinter der Bühne. Man lernt alle Teilnehmer besser kennen und findet so neue Freunde. Am Schluss lagen wir uns alle in den Armen.“ Der Spruch ‚die Wahl verliert keiner, sondern gewinnt jeder‘ zeigte sich so in den Details. Seit Januar wusste Daniel, dass es eine Vorstellung und einen Showteil bei der Wahl gibt. Aber erst eine Woche vorher fand er ein passendes Lied, das er in neue Worte fasste. Hier kam ihm seine jahrelange Bühnenerfahrung in verschiedenen Theatern und bei den Schlampenlichtern zugute. „So dichtete ich ‚Senior Rossi sucht das Glück’ um, allerdings auf hochdeutsch mit fränkischem Akzent. Mit einem Koffer, aus dem Fetisch-Sachen rausschauten, im Schlepptau betrat ich die Bühne. Als der Saal am Ende tobte und mir viele Zuschauer zunickten, ahnte ich schon, dass ich nicht Letzter werden würde“, erinnert sich Daniel an seinen Auftritt. An die 100 stimmberechtigte Zuschauer waren im Saal. Alle Mr.-Titelträger durften nicht wählen. „Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses entgleisten mir die Geschichtszüge. Am nächsten Morgen konnte ich es immer noch nicht glauben. Zweites Mal, gleiche Stadt, gleiches Hotel und der Preis liegt wieder neben mir“, beschreibt der frisch gekürte Schärpenträger seine Gefühle. „Meine Arbeitskollegen wissen Bescheid und waren schon vorher begeistert. Ich dürfe nicht ohne Titel zurückkommen, war die Forderung. Neben viel positiver Resonanz war meine Familie aber auch entsetzt, weil sie mich seit meiner Wahl zum Kohlkönig nur noch selten gesehen hatten und nun ein weiteres Amt dazu kommt.“ Zum traditionellen Christkindlesmarkt-Treffen CMT des Nürnberger Lederclubs hat er als MR FETISH GERMANY alle anderen Titelträger eingeladen. Deshalb werden in diesem Jahr mehr Schärpenträger als je zuvor in der Frankenmetropole zugegen sein. „Wir alle bilden eine große Community. Ich zähle auf die Freundschaft und es sind starke Jungs. Ich schätze auch die ehemaligen Titelträger, denn alle engagieren sich für die Community und viele könnte ich bei Tag und Nacht anrufen.“ Als nationaler Repräsentant der deutschsprachigen Leder- und Fetischszene wäre er nun berechtigt, auch bei der Wahl des Mr Leather Europe 2013 und in Chicago bei der Wahl zum Mr. international Leather teilzunehmen. Eine Teilnahme an diesen Veranstaltungen kann sich Daniel momentan nicht vorstellen. Doch nicht selten kommt es anders, als man denkt …
Foto/ Text Norbert Kiesewetter
GAYCON Oktober 2013
Der Kohlkönig von Bremen
Gelegentlich konnte man NLC - Mitglied Daniel Hiller (41) in den letzten Wochen mit einem geketteten Knochen um den Hals in der Öffentlichkeit antreffen. Wer das für irgendeine Art von Fetisch hält, liegt völlig daneben. Nein, Daniel ist amtierender Kohlkönig des Lederclubs Nordwest (LCNW).
„Ich kam zu dieser Ehre wie die Jungfrau zum Kind und musste das nach der Verkündung zunächst mal verdauen“, gesteht Daniel. Der Nürnberg-Patriot ist eigentlich staatlich geprüfter Lebensmitteltechniker und arbeitet als Restaurant-Fachkraft. Gekürt wurde er am 26. Januar 2013 bei der seit Anfang der neunziger Jahre jährlich stattfindenden Kohl- und Pinkelfahrt. Zugegeben, auch diese Reisebezeichnung zeichnet jedem Ahnungslosen erstmal ein Grinsen ins Gesicht. Besonders bei uns im süddeutschen Raum. Doch Kohl und Pinkel ist ganz einfach eine kulinarische Tradition. Dieses Grünkohlessen ist allgemeiner Brauch in Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Die regional auch als Braunkohl bezeichnete Spezialität wurde schon früher ab dem ersten Herbstfrost geerntet, weil dann die Bitterstoffe neutralisiert sind. Ende der Saison ist traditionell der Gründonnerstag. Die ‚Kohlfahrt’ ist oft mit einer Wanderung durch die Natur verbunden, umrahmt von Geländespielen und ausreichend alkoholischen Getränken. Im Gasthof gibt es dann den gekochten Grünkohl mit Kartoffeln und einer geräucherten, grobkörnigen Grützwurst, die eben als Pinkel bezeichnet wird. Höhepunkt der Veranstaltung ist schließlich die Ausrufung des Kohlkönigs, manchmal auch eines Kohlkönigspaars. Die Kohlkönigswürde erreicht man durch höchst unterschiedlich angewandte Parameter. Dabei kann die verzehrte Menge eine Rolle spielen, ebenso wie der Vorher/Nachher – Gewichtsunterschied des Teilnehmers oder der Ausgang der vorher stattgefundenen Geländespiele.
Die Königs-Tradition wird auch durch den Leder-Club Nord-West e.V. in Bremen ausgeübt, natürlich mit leichten Anpassungen. Als Zepter darf die amtierende Majestät einen historischen Schweineknochen aus dem Jahr 1984 mit sich führen. Es muss sich um ein riesiges Exemplar seiner Spezies gehandelt haben. Zwei Bremer Lederkerle (Kai und Franz) ‚vererbten’ damals das Prachtstück dem Lederclub NW. „Zunächst hieß es bei der Vergabe durch den Vorstand, dass der diesjährige Titel im Zeichen der Burg stehen würde. Da war uns elf Teilnehmern aus Nürnberg klar, dass es nur einer von uns sein konnte“, erzählt Daniel Hiller. „Aber als dann mein Name fiel, war ich erstmal sprachlos. Meine Freunde freuen sich diebisch über den Preis. Nun gehört es zu meinen Aufgaben, den Titel öffentlich zu präsentieren, wie etwa bei Veranstaltungen der anderen Lederclubs oder bei Mister – Wahlen. Als offizieller Titelträger dürfte ich sogar für den ‚Mister Fetish Germany 2013’ kandidieren, aber darüber muss ich erstmal nachdenken.“ Obwohl die Kohlkönige schon seit den 90er Jahren bestimmt werden, wurde der Titel erst durch die Wahl zum ersten Mr. Fetish Germany im Jahr 2011 bundesweit bekannt. Der Dachverband der deutschsprachigen schwulen Fetischclubs LFC (Leder und Fetisch Community) hatte die Idee, jährlich eine Misterwahl zu veranstalten. Zufällig war der erste Gewinner auch der amtierende Kohlkönig, so wird nun die Tradition des Bremer Lederclubs immer berühmter.
Text/ Foto Norbert Kiesewetter
GAYCON Februar 2013