Fränkische Prinzen
Hoheitlicher Besuch auf der Nürnberger Kaiserburg: Frankens erstes ‚echtes‘ Prinzenpaar! Gerald Fischer und Dirk Stauch von den ‚Langstadter Fousanachtern‘ aus der oberfränkischen Region Kronach. Die Prinzen regieren zwei Jahre in der Faschingssaison. Sie sind auch privat seit 10 Jahren ein Paar. Für das GAYCON Interview gastierten sie in der Frankenmetropole.
Dem Großstädter schießt augenblicklich die Frage durch den Kopf: Wieso gibt es ein schwules Prinzenpaar zuerst in der fränkisch – bayerischen Provinz und nicht in Nürnberg oder München? Oberlangenstadt hat nämlich nur rund 1500 Einwohner! Im Heimatort kennt jeder jeden. „Wir waren bisher in keinem Faschingsverein Mitglied und sind auch nie aktiv auf den Umzugswagen dabei gewesen. Als Mexikaner verkleidet waren wir beim Faschingsumzug 2014 in Weißenbrunn unter den Zuschauern. Und dann kam der 1. Vereinsvorstand der Langstadter Fousanachter und fragte uns, ob wir uns vorstellen könnten, als Prinzenpaar die nächste Saison zu regieren“, erinnert sich Gerald Fischer, der zwar als Gärtner gelernt hat, aber seit 1995 freiberuflich bei den Kronacher Faust-Festspielen arbeitet. „Wir haben erst überlegt. Befürchteten auch, es könnten Eier oder Tomaten geworfen werden. Schließlich machten wir es davon abhängig, ob uns der gesamte Vereinsvorstand wirklich wollte.“ Die nichtöffentliche Bestätigung des Vereins kam im Mai letzten Jahres. Denn Gerald und Dirk „seien in der Region als Pärchen bekannt und die Zeit reif für zwei Prinzen in dieser repräsentativen Rolle“. Zu Beginn der Faschingssaison Mitte November wurde das Überraschungspaar mit viel Rauch auf einer Schwebebühne beim traditionellen ‚Rathaus-Sturm‘ in Küps enthüllt. „Wir waren natürlich aufgeregt, ob die Leute positiv reagieren würden. Aber beim Empfang im Zelt war der Jubel so groß, dass wir Gänsehaut bekamen. Tags darauf standen wir schon in der Tagespresse und wurden sogar beim Einkaufen darauf angesprochen. Viele finden es Klasse, zollen uns Respekt“, erzählt Gerald.
Outing in der Arbeit
Mit dieser Neuigkeit in der Bildzeitung hat sich Dirk (35) automatisch vor seinen Arbeitskollegen geoutet. „Ich arbeite auf Baustellen in Nürnberg und München als Maurer bzw. Polier. Homosexualität ist in dieser Branche ein ähnliches Tabu wie beim Fußball. Für manchen älteren Kollegen war es ein Schock. Als erste Reaktion wurde auch schon mal das Wort ‚Schwuchtel‘ geäußert oder die Befürchtung, ich könnte einen anbaggern. Aber heute können wir wieder normal miteinander reden“, berichtet Dirk, der seit Jahren in seinem Heimatort bei der freiwilligen Feuerwehr in Wilhelmsthal aktiv ist. „Bei meinem damaligen Coming out im privaten Umfeld hatte mein Vater anfangs Probleme. Ich wurde von daheim rausgeschmissen. Aber es hat sich alles zum Positiven gewandelt. Heute hat er einen Lieblingsschwiegersohn.“ Geralds Familie ist sehr bekannt in Oberlangenstadt. Sein Opa war der erste Faschingsprinz 1967. Schon als Kind war Gerald überall dabei. Auf den legendären ‚Café-Kitsch-Partys‘ in Kronach hat er als junger Erwachsener auch mit Heteros rumgeknutscht. Ein tatsächliches Bekennen zum schwul sein war überflüssig, es wussten sowieso schon alle. „Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass ich schon mehr Heteromänner geküsst habe als Schwule. Meine Erfahrung ist, dass die Leute einen vertrauenswürdig einstufen, wenn man zu allem steht und Rückgrat zeigt. Deshalb habe ich nie das übliche schwule Problemdenken gehabt, sondern eher nach dem Motto der Pippi Langstrumpf gelebt: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, erzählt Gerald. Er genießt einen hohen Bekanntheitsgrad in der Region. Schon früher tourte er mit Performances im goldenen Anzug durch die fränkischen und thüringischen Discos, machte Musik-Playbacks. Außerdem ist er seit 1995 bei den Kronacher Faust-Festspielen dabei. Egal ob auf der Bühne, an der Kasse oder beim Prospekte verteilen. Man kennt eben sein Gesicht.
Vor zehn Jahren wurde das Paar sprichwörtlich verkuppelt. Dirks Cousine hat beide auf dem großen Volksfest ‚Kronacher Freischießen‘ gegenseitig vorgestellt. Gerald ist am Ball geblieben und hat zunächst telefonischen Kontakt zu Dirk gehalten. Durch die Baustelleneinsätze waren Treffen nur am Wochenende möglich. „Dirk ist nicht der typische Schwule. Anfangs war er etwas maulfaul, aber bodenständig und nicht gepudert. Manche sagen sogar, ich hätte einen Rohdiamanten geschliffen“, grinst Gerald. Die gemeinsame Zeit war beiden zu wenig, deshalb ist Dirk seit ein paar Jahren bei der Theatergruppe als Statist oder am Eingang beim Kartenabreißen dabei. Damit ist das schwule Paar seit Jahren bekannt in der Kronacher Region. Eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg, heute das Prinzenpaar zu sein.
Walzer tanzen
„Nach dem Rathaus-Sturm in Küps und dem medialen Echo haben wir bemerkt, dass wir anständige Kostüme wegen der Optik und gegen Regen und Kälte brauchten. Bisher waren wir nur in Jeans und weißem Hemd unterwegs gewesen“, beschreibt Gerald die Vereinshürde. „Ich wusste, es sollte kaiserlich aussehen. Wie beim Kaiser Franz oder Graf Andrzej in den Sissi-Filmen und in den Farben blau/weiß des Faschingsvereins. Die Kosten der Schneiderin hat schließlich eine bekannte Heimatbäckerei gesponsert.“ Beim 44. Oberfränkischen Prinzentreffen des Fastnachtsverbands Franken in Stadtsteinach waren Gerald und Dirk bereits Anfang Januar 2015 dabei. Wobei die beiden wörtlich genommen das einzige echte ‚Prinzenpaar‘ waren, eine Prinzessin kommt in der Bezeichnung kurioser Weise nie vor. „Alle Faschingsgesellschaften kannten uns schon als ‚Berühmtheiten aus der Presse‘. Zum Walzertanz baten wir die Frauen der Vorstände, das können wir nicht gemeinsam, weil wir uns in der Tanzführung nicht einig wären“, betont Gerald. „Nur ein Tanzmotiv mussten wir stellen. Die Fotografen wollten ein tanzendes schwules Prinzenpaar ablichten“. Gerne wären Gerald und Dirk am 15. Februar auch zum Nürnberger Faschingsumzug gekommen, aber just am selben Tag zieht auch im oberfränkischen Oberlangenstadt der eigene Gaudiwurm ab 13:33 Uhr durch den Ort. Da gibt’s die Prinzen live zu sehen. Natürlich ein Pflichttermin für den sympathischen Faschingsadel.
Fotos/ Text Norbert Kiesewetter
GAYCON Februar 2015