Danke für die wunderbaren Jahre
Ende einer Ära? Schließt Nürnbergs erste Schwulensauna, der Sauna Club 67 in der Pirckheimer Straße, Mitte Juli 2017 nach legendären 32 Jahren und sieben Monaten in der Nordstadt, für immer die Pforten? Aus gesundheitlichen Gründen gibt Chef Kurt Persy (56) den Schlüssel ab. Aber es gibt einen Lichtblick: Potentielle Nachfolger verhandeln aktuell mit dem Vermieter, damit es nach einer geplanten Umbauzeit im Spätherbst wieder weitergehen kann. GAYCON sprach mit Kurt über seine Gründe und die Saunaclubzeit.
Für viele Stammgäste ist die Nachricht ein Schock. Einige sind verzweifelt, weil sie ihr „Zuhause“ verlieren. Der Saunaclub hat, auch wegen seiner insgesamt überschaubaren Größe, schon immer polarisiert. Diese Nähe schätzen die Stammgäste, diese familiäre Atmosphäre unter dem Kellergewölbe. Anderen ist es zu eng, zu verschachtelt, einfach zu klein. Einzelne empfinden vielleicht auch eine gewisse Schadenfreude, oder es ist ihnen egal. Doch hier wurde vor fast 33 Jahren schwule Geschichte geschrieben. Mit der Eröffnung des Club 67 in Nürnberg hatten Frankens schwule und bisexuelle Männer endlich einen Treffpunkt wie in anderen Großstädten, nur eben kleiner. Ein gesicherter Ort, denn damals war Homosexualität in der Gesellschaft längst nicht so akzeptiert wie heute. (Über die Entstehungsgeschichte hatten wir zum 30-jährigen Jubiläum eine extra Reportage veröffentlicht.)
Ein ganz normaler Prozess im Leben ist die Wandlung. Die Szeneeinrichtungen bilden hier keine Ausnahme, sondern sind ebenso betroffen wie die gesamte Gastronomie der Stadt. Mit der Zeit ändern sich die Qualitätsansprüche, schwule Männer lernen sich nun mehr über das Internet kennen, und die Marktbegleiter sind ja auch noch da. Wer mithalten will, muss investieren und mutig frische Ideen umsetzen. Doch die Kunden wollen oder können kaum mehr ausgeben als vorher. Quasi eine Quadratur des Kreises, die eingefordert wird. Kurt war eigentlich auf dem richtigen Weg. Es hatte sich einiges geändert. Erste Renovierungen. Ein neues Logo. Neue Eventideen wurden erfolgreich ausprobiert. Doch dann machte der Körper schlapp.
„Am Dienstag, den 3. Januar dieses Jahres, erlitt ich um fünf Uhr morgens einen Herzinfarkt. Weil keine Ablösung zur Verfügung war, hatte ich am gleichen Tag noch bis Nachmittag in der Sauna gearbeitet. Der Hausarzt konnte beim EKG nichts feststellen, weil ja das Schlimmste schon vorüber, das Gröbste vorbei war. Erst nachträglich habe ich erfahren, wie schwer und lebensgefährlich der Infarkt war. Da reifte in mir bis Anfang April der Entschluss: Ich höre auf. Die Gesundheit geht vor“, erinnert sich Kurt. Geplagt von Gefühlen der Wehmut und Traurigkeit ist ihm seine Entscheidung auch nicht leicht gefallen. Während der Genesungsphase haben Freunde die Saunaarbeit übernommen. Doch bis heute spürt er gesundheitliche Einschränkungen, Kreislauf und Belastbarkeit spielen nicht mehr so mit wie vorher.
Rückblick
Vor fast 25 Jahren begann die ganz persönliche Verbindung von Kurt und dem Club 67. Zuerst privater Natur, danach in der beruflichen Position. „Am 1. November 1992 war ich zum ersten Mal hier in der Sauna. Ich war gerade auf dem Rückweg nach Duisburg und Stuzi hatte an diesem Tag Dienst. Ich hatte mich sauwohl gefühlt. Gerade das familiäre Umfeld hatte mir gefallen. Es stecken pure Emotionen in der Verbindung, denn rund die Hälfte meines Lebens sollte diese Sauna eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen“, betont Kurt, der seit Januar 1993 in Nürnberg wohnt. „Zuerst war sie meine Heimat in einer mir damals unbekannten Stadt, dann war ich Angestellter und vor fünf Jahren habe ich die Chefposition von Saunagründer Richard übernommen.“ So richtig glücklich ist er dennoch in dieser Rolle nie geworden. Denn er sagt von sich selber, dass er „ein schlechter erster, ein brauchbarer zweiter aber ein guter dritter Mann in der Arbeit ist.“ Die Diskretion war Kurt im Club immer besonders wichtig. So hat er es beispielsweise vermieden, seine Kunden im Alltagsleben durch Grüßen zu outen. Über Projekte der AIDS-Hilfe hat er oft junge Studierende auch außerhalb der Öffnungszeiten durch seine Räume geführt und diese ermutigt, Fragen zum Ablauf des Betriebes zu stellen. „Es gab zahlreiche schöne Momente in meinem Berufsleben. Einer der schönsten war die 30-jährige Jubiläumsfeier vor fast drei Jahren. Oder als ich die Sauna vor fünf Jahren übernommen hatte, haben sich an diesem Tag zwei Männer gefunden. Sie leben seitdem monogam und sind immer noch zusammen“, freut sich Kurt. „Negative Erlebnisse gab es kaum. Sogar als einmal rechte Demonstranten durch die Nordstadt in der Nähe vorbeimarschierten, hat die Polizei tatsächlich auf meine Bitte reagiert, ein wenig auf meine Schwulensauna aufzupassen. An der Kreuzung stand dann während der Demo ein Polizeiauto in der Nähe.“
Zukunft
Für die Szene wünscht sich Kurt mehr Solidarität untereinander und füreinander. Auch dass Leute aus der Community mehr in die schwul geführten Läden und Geschäfte gehen sollten. „Die Jugend vergisst leider zu oft, wie hart die ältere Generation den heutigen freien Weg erkämpfen musste. Die Stimmung kann, wie man in anderen Ländern aktuell sieht, auch einmal wieder zu unseren Ungunsten kippen. Deshalb ist eine starke Szene nach wie vor wichtig“, betont Kurt. Pläne für den Tag X des Saunaabschieds hat es in der Hinsicht gegeben, dass seine langjährigen Freunde Franco und Stefan schon immer Interesse an der eventuellen Weiterführung des Clubs 67 hatten. Aktuell wird mit dem Vermieter zwecks Übernahme verhandelt. Bei der Abschiedsparty am Samstag 15. Juli ab 13:00 Uhr und Sonntag 16. Juli ab 10:00 Uhr werden Kurt und Stuzi anwesend sein. Für jeden Gast gibt es ein Glas Sekt aufs Haus. Allerdings können bzw. sollen alle Getränke an diesen Tagen ausverkauft werden. Denn auch wenn es weitergeht, wegen der geplanten Umbauarbeiten muss sowieso alles raus.
In der neu gewonnenen Freizeit will Kurt viel Zeit mit seinem Mann verbringen. „Wir sehen uns aktuell meistens nur am Sonntag, bedingt durch unsere unterschiedlichen Arbeitszeiten. Er ist mein dritter Mann, aber die intensivste Beziehung, die ich je hatte. Seit 16 Monaten sind wir nun schon monogam zusammen. Den gebe ich nicht mehr her.“ Doch auch sein Lieblingskind will Kurt eben doch nicht so ganz hergeben! „Falls es mit Franco und Stefan weitergehen sollte, werden Stuzi und ich regelmäßig Arbeitsschichten übernehmen“, grinst er schelmisch. „Aber das Wichtigste: Ein ganz großes Danke an alle Beteiligten für die vielen wunderbaren Jahre im Sauna Club 67.“
Foto/ Text Norbert Kiesewetter
GAYCON Juli 2017