Chronologisch von oben nach unten: CSD Premiere 2020, Wahl Mr Gay Germany 2019
CSD Premiere
Kurz vor Ende Oktober ist es soweit. Die mittelfränkische Universitätsstadt Erlangen mit über 100.000 Einwohnern bekommt ihren ersten Christopher Street Day. Im Corona Jahr in einer anderen Form als ursprünglich gedacht. Mit Ausstellung „Come Stand 4 Diversity“ in der Stadtbibliothek, Lesungen mit Christoph Hein und einem Queer Indoor Festival im Kulturzentrum E-Werk als Alternative. GAYCON fragte bei Organisator und Ideengeber Pascal Oswald nach, über Motivation und Erlebnisse im Vorfeld. „In den letzten Tagen vor unseren Veranstaltungen bin ich etwas gestresst, aber auch sehr happy, dass alles so weit zu funktionieren scheint und nichts Corona-bedingt abgesagt wird. Die letzten Tage waren ja schon etwas chaotisch. Meine anfängliche Motivation, den CSD in Erlangen zu organisieren, die von der Mr.GayGermany2019 Wahl ausging, wurde weiter angetrieben von vielen kreativen Mitorganisator.innen sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Vereins. Es ist überwältigend, wie viele Menschen sich von selbst bei uns gemeldet haben, um ihren Beitrag zum CSD zu leisten. Hierfür möchte ich ein großes Dankeschön aussprechen, vor allem an Lukas Geyer, ohne dessen Engagement dies alles nicht möglich wäre“, betont Pascal. Weil mit Beginn der Corona-Krise schon absehbar war, dass es keinen großen, fulminanten CSD Demonstrationszug durch die Erlangener Innenstadt geben kann, hatte das OrgaTeam frühzeitig an Alternativen gearbeitet. Gerade mit der Unterstützung der Stadt Erlangen und der Stadtbibliothek, konnten sie nun eine Fotoausstellung erarbeiten, die das bunte und individuelle Spektrum der queeren Community, das normalerweise auf einem CSD-Umzug wiederzufinden wäre, abbildet und für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Das gleich für mehrere Wochen, bis 24. November! Das macht Pascal, das OrgaTeam und die Vereinsmitglieder von #MakeYourTownQueer e.V., schon stolz. „Wir haben es auch geschafft, das Demofinale des CSDs durch eine Corona-konforme Veranstaltung in das E-Werk zu bringen, um den sonst anwesenden Redner.innen den Raum für ihre Botschaften zu bieten, verbunden mit einem queeren Unterhaltungsprogramm“, meint Pascal weiter. „Ich bin gespannt auf das Feedback der Leute und hoffe nächstes Jahr auf mindestens genau so gute Ergebnisse und Aktionen, hoffentlich mit einem bunten Paradezug durch Erlangen.“
Text/ Foto: NK
GAYCON Oktober 2020
Mr Kandidat aus Nürnberg
Von 160 Bewerbern aus ganz Deutschland waren im Vorentscheid noch elf Teilnehmer beim Mr Gay Germany 2019 dabei! Unter ihnen auch der Wahl-Franke Pascal Oswald (24) aus Nürnberg. Inzwischen ist er einen Schritt weiter: Pascal ist beim Finale im Dezember in Köln! Nun müssen sich die Bewerber in einigen Challenges in Köln messen lassen. Als Kampagne möchte Pascal ein CSD Straßenfest auf dem Schlossplatz in der Universitätsstadt Erlangen umsetzen. Seit Mitte Oktober läuft das Final-Onlinevoting. Hier könnt ihr per Likes, Hashtags und Teilen eure Stimme unserem Nürnberger Kandidaten für den Vorentscheid geben. Stimmt ab, damit der Mr Gay Germany Titel nach Franken kommt!
Wobei die Organisatoren mehr als „hübsche Gesichter und trainierte Bodys“ im Sinn haben. Es wird ein Repräsentant der Gay-Community gesucht. Der Gewinner „tritt für ihre Rechte ein, fungiert als Sprachrohr und ist internationaler Botschafter.“ Deshalb ist das Onlinevoting nur ein Teil der Bewertung. Die Finalisten-Kandidaten entwerfen für das Finale im Dezember ihre eigenen Szene-Kampagnen, die von der Jury am Tag der Entscheidung nochmal extra hoch bewertet werden. Denn die Kampagne des Siegers wird groß umgesetzt.
Wahl-Franke
Viele aus der Nürnberger Community kennen Pascal, denn er arbeitet neben seinem Studium in Erlangen im Szenelokal Cartoon. Außerdem ist er ehrenamtlich im Präventionsteam und für die Öffentlichkeitsarbeit der AIDS-Hilfe Nürnberg engagiert. Seit drei Jahren ist er in der fränkischen Region zuhause, seit zwei Jahren wohnhaft in Nürnberg. Außerdem spielt er leidenschaftlich gern Tennis im Rosa Panther Sportverein. „Ich hatte große Anfangsschwierigkeiten mit der fränkischen Mentalität, fühlte eine Unnahbarkeit der Menschen. Das hat mir schwer zu schaffen gemacht. Doch heute genieße ich das Leben hier und möchte es nicht mehr missen“, lacht Pascal, der sich vorstellen könnte, wenn er den Mann seines Lebens findet, für immer hier zu bleiben. Ursprünglich wollte Pascal Humanmedizin studieren. Inzwischen hat er bemerkt, dass Zahnmedizin ihm viel besser liegt und auch Spaß macht. Trotz anfänglicher Bedenken, anderen Personen in den Mund zu schauen. Allerdings hält er sich noch offen, ob er später als Zahnarzt oder Chirurg arbeiten will. Geboren und aufgewachsen ist er in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Sein Coming out hatte er mit 17 Jahren. Die Familie hatte verhalten bis gut reagiert. „Nur meine Mutter hat länger gebraucht, damit klar zu kommen. Heute ist das Verhältnis sehr gut. Inzwischen wünschen sich meine Eltern, dass ich später zurückkomme. Dafür würden sie einen Teil des Hauses sogar in eine Praxis umbauen.“
Motivation
Kurz bevor er wegen des Studiums seine Heimatstadt verlassen musste, hatte Pascal eine schwule Jugendgruppe in Erfurt gegründet. „Ich war auf einer Reise in Australien. Dort lebt die Community viel offener. Das hat mir den Anstoß gegeben zur Gruppengründung. Sie ist auch gut angelaufen. Wir hatten aber auch Problemfälle, an die wir damals aus Naivität nicht dachten. Heute wüsste ich, dass es dafür spezielle Schulungen gibt, wie man als Leiter damit umgeht“, erinnert sich Pascal. Seit seinem Umzug gibt es keine derartige Gruppe mehr in der 200.000-Einwohner-Stadt. Obwohl sie jedes Jahr auf dem CSD Erfurt eingefordert wird. „Meine Motivation, bei der Wahl zum Mr Gay Germany mitzumachen, ist die öffentliche Sichtbarkeit zu stärken. Auch um Leuten der queeren Community zu helfen, die noch nicht geoutet sind. Vermitteln, dass es Okay ist, sich zu zeigen. Damit die queere Bewegung vorwärts geht. Für mich ist es schon ein persönlicher Erfolg, von 160 Bewerbern unter die Top 11 im Vorentscheid gekommen zu sein.“ Seit einigen Monaten hat Pascal auch ein neues „Baby“ in seiner Heimatstadt Erfurt. Gemeinsam mit der AIDS-Hilfe Erfurt veranstaltet er die „Drama“, eine queere Motto-Partyreihe mit viel Liebe zum Detail in einem jungen studentischen Club.
Kampagne
Basis jedes Teilnehmers bei der Mr Gay Germany Wahl ist die jeweilige Kampagne. Pascals Idee hierzu ist ein Christopher Street Day in der Universitätsstadt Erlangen. Gerade das Potenzial der vielen Studenten ist ein großer Vorteil. „Ich war in diesem Jahr auf vielen CSDs. Ein Rückgang der Besucherzahlen ist nicht feststellbar, ganz im Gegenteil. Darum stelle ich mir auf dem Erlangener Schlossplatz ein CSD Straßenfest mit Bühne und zahlreichen Künstlern vor. 100 Pride-Gäste wären schön, 1000 noch besser“, wünscht sich Pascal, der schon erste Unterstützer aus der queeren Community gewonnen hat. Weil im nächsten Jahr die Ausstellung „We are Part of Culture“ im Bahnhof Erlangen gastiert, wäre das ein ideales Rahmenprogramm zum CSD. Neben dem zeitlichen und organisatorischen Aufwand sieht er in der Finanzierung die größte Herausforderung. „Ich bin am überlegen, ob ich mit Freunden einen Verein gründe, um an weitere Fördermöglichkeiten zu kommen. Bei Gewinn der Mister Wahl wird die Kampagne des Siegers mit Unterstützung des Wahl-Veranstalters umgesetzt.“ Für die queere Community im Großraum Nürnberg wünscht sich Pascal mehr ehrenamtlich Aktive für die bestehenden Vereine wie z.B. Fliederlich, CSD Nürnberg und AIDS Hilfe Nürnberg. „Es gibt viele Möglichkeiten, frische Ideen überall in soziales Engagement umzusetzen. Besonders die öffentliche queere Sichtbarkeit ist mir wichtig, sowie mehr Courage zu zeigen.“
Text/ Fotos: Norbert Kiesewetter
GAYCON Oktober 2019