Ohne Gummi durch die Nacht?
Hausbesuch in der Entengasse. GAYCON interviewte René Scheuermann (37), Mitarbeiter der AIDS-Hilfe Nürnberg, der seit Ende August 2017 die neue HIV Präventionsmethode „PrEP“ in Anspruch nimmt. HIV Schutz durch Tabletten statt Kondome ist aktuell in der Community angesagt, gerade auch weil die Medikamentenpreise drastisch gesunken sind. Damit ist PrEP, neben „Schutz durch Therapie“ und der Verwendung von Kondomen, eine von drei Möglichkeiten, sich vor HIV zu schützen.
PrEP ist die Abkürzung für Prä-Expositions-Prophylaxe. Bei dieser Methode nehmen Menschen ohne HIV täglich Medikamente ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Allerdings muss vor dem PrEP-Start eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden, weil sonst die Gefahr der Entwicklung einer Medikamentenresistenz bestehen kann. Denn im Zentrum steht die Untersuchung auf HIV (alle drei Monate), Hepatitis und andere sexuell übertragbare Krankheiten (alle drei Monate), sowie die Nierenkontrolle (alle drei Monate). Das ganze Programm kann mit einem „PrEP-Checkheft“ begleitet werden, in welchem alle Testergebnisse festgehalten werden. In London konnte durch die Kombination von häufiger HIV-Testung und PrEP die HIV-Neuinfektionsrate um über 46 Prozent reduziert werden – in nur sechs Monaten. Allerdings schützt PrEP nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI).
„Von dieser Schutzmöglichkeit habe ich hier über meine Arbeit bei der AIDS-Hilfe erfahren. Seit 2012 ist sie schon im Gespräch, aber erst in den letzten zwei Jahren hat sich darum ein regelrechter Hype entwickelt. Obwohl ich beim Besuch von Fetisch-Partys auf Kondome achtete, kam es trotzdem ab und an zu ungeschütztem Sex. Ich suchte nach anderen Schutzmöglichkeiten“, erinnert sich René. „Ich habe mich für PrEP entschieden. Nach meinem Empfinden ist es von Vorteil, dass der Akt selbst durch das Verwenden des Kondoms nicht mehr unterbrochen werden muss. Es fühlt sich natürlicher an. Außerdem habe ich in den sieben Monaten noch keine Nebenwirkungen bemerkt. Auch die Verwendung eines Kondoms bietet keinen 100prozentigen Schutz vor HIV“, meint René weiter. Einen weiteren Vorteil der Tabletteneinnahme sieht er darin, dass er jetzt viel häufiger auch auf andere sexuell übertragbare Krankheiten getestet wird. Damit werden Risiken schneller erkannt. Nachteilig ist, dass es bislang noch keine Langzeitstudien gibt.
Anderes Sexleben?
René kommt eigentlich aus Aschaffenburg in Unterfranken. Insgesamt ist er seit neun Jahren in der AIDS Hilfe aktiv, erst in Frankfurt und seit 2013 in Nürnberg. Er arbeitet in der Prävention, Beratung, im Checkpoint sowie in der Online-/ Chat Beratung. „Durch den Umstieg auf diese Präventionsmethode hat sich mein Sexleben nicht verändert. Ich habe nicht mehr Sex bzw. Sexpartner als vorher. Es ist nur meine Methode, mich vor HIV zu schützen. Die Übernahme von Verantwortung für mich und meinen Körper“, betont René. „Kondome sind auch in Ordnung. Wenn ein Partner auf deren Verwendung besteht, ist das kein Problem für mich. Doch insgesamt bin ich mit den Tabletten sehr zufrieden. Jeden Tag eine zum Abendessen als Nachtisch.“ Übrigens, auch Frauen können PrEP anwenden. Allerdings reagiert der weibliche Körper anders auf die Wirkstoffe des Medikaments. Es dauert einige Tage länger, bis die Wirksamkeit nachgewiesen werden kann. „Neben der dauerhaften Einnahme der PrEP-Mediakmente gibt es auch noch eine anlassbezogene Methode. Doch jeder muss natürlich grundsätzlich für sich selbst entscheiden, welche Art der Prävention für ihn am besten ist“, ergänzt René. „Wir würden uns freuen, wenn der Kontakt zuerst über uns als AIDS-Hilfe Nürnberg erfolgt. Egal ob persönlich im Checkpoint, beim Beratungstermin oder über die Telefonberatung. Wir können dabei auch die entsprechenden Fachärzt_innen nennen.“ Der PrEP-Check im Checkpoint der AIDS-Hilfe Nürnberg kostet pauschal 40 Euro und kann jeden Montag von 18:00 bis 20:00 Uhr (bitte bis 19:30 Uhr erscheinen) – ohne Voranmeldung – durchgeführt werden. Bei Ärzten oder Ärztinnen sind hier etwa 70 bis 100 Euro veranschlagt. Die Testergebnisse werden dann an den behandelnden Arzt bzw. Ärztin weitergeleitet, wenn eine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt. Damit gibt es das Rezept für die nächsten drei Monate. Die günstigeren PrEP-Tabletten für 50 Euro pro Monat sind nur bei ausgewählten Apotheken erhältlich. Dazu sind in der Metropolregion Nürnberg aktuell nur zwei berechtigt. Die nächsten sind in München oder Frankfurt. Während die PrEP-Tabletten eines anderen Herstellers für 70 Euro monatlich in jeder Apotheke zu haben sind.
Kontakt zur AIDS-Hilfe Nürnberg: 0911 – 19411
E-Mail: rene.scheuermann@aidshilfe-nuernberg.de
Text/ Foto Norbert Kiesewetter
GAYCON März 2018