„Glücksgriff“
Rebensaft und mehr für die queere Community!
Uwe Richling (48) schwebte schon seit langer Zeit der Gedanke vom eigenen Lokal im Kopf umher. Doch bisher war gefühlsmäßig nie der richtige Ort dabei. Nun hat seit Ende April seine Weinbar/ Kneipe „s’Weinbeisl“ (Joahnnesgasse 22) die Pforten in der Lorenzer Altstadt geöffnet. Nur einen Steinwurf von der neuen Fußgängerzone Königstraße entfernt. Vielen ist Uwe auch als „Crazy Ulla“ bekannt. Entsteht ein neues „Queer-Dreieck“ mit der Bar59 gegenüber und dem Café Bar Cartoon um die Ecke? GAYCON schaute bei Uwe vorbei und sprach mit ihm über weitere Pläne.
„Der Name war einfach eine Eingebung. Der war auf einmal in meinem Kopf. Ein Beisl bedeutet einfach Kneipe. Und das soll das s’Weinbeisl auch sein. Eine kleine feine Kneipe zum Wohlfühlen“, betont Uwe, der auch privat ein Wein-Liebhaber ist. Damit erschafft er ein ganz neues Segment in unserer queeren Kneipenlandschaft. „Ich möchte junge fränkische Winzer puschen und regionalen Künstlern eine Plattform bieten. Wenn ich beim Stammgast merke, was er gerne will, versuche ich ihn mit einer Probier-Probe der fränkischen Wein-Alternative zu überzeugen. Es gibt lustige Reaktionen, die meisten sind positiv.“ Das Sortiment ist immer im Wechsel. Aktuell sind Weine zehn verschiedener Weingüter zu haben. Außerdem hat er alle drei Monate eine neue Ausstellung mit Werken von Kunstschaffenden aus Nürnberg und der Region an den Wandflächen seines Lokals hängen.
Aus Dunkel wird Hell
Im Herbst 2021 kamen erste Gespräche über diese Lokalräume zustande. Darauf folgte ein halbes Jahr Planung zur Umsetzung des Konzeptes, welches in Uwes Kopf schon ausgearbeitet war. Doch nun standen die Detail-Entscheidungen an, welche Möbel sollten es beispielsweise sein. Wegen der aktuellen Situation waren die gewünschten Dinge auch noch Monate lang nicht lieferbar. Über ein Internet-Versandhaus ging es überraschend ganz schnell. Weil die ursprünglichen Räume sehr dunkel gehalten waren, musste zunächst helle Farbe her, die neu gelieferten Möbel aufgebaut und zusammengeschraubt werden. Insgesamt brauchten die fleißigen Leute zehn Tage für das intensive Renovieren. „Zehn Jungs und Mädels aus der Community haben mir dabei geholfen. Ohne diesen Zusammenhalt hätte ich das nicht geschafft“, freut sich Uwe. „Es war genial. Sie kamen alle zufällig vorbei und boten mir ihre Hilfe an. Sie haben Polster bezogen, Tische und Stühle zusammengeschraubt. Das könnte man nicht planen und auch nicht bezahlen.“ Aktuell wären Handwerker auch nicht so schnell zur Verfügung. Nur eine Stunde vor Baröffnung sah alles noch wie eine Baustelle aus. Schnell wurde alles gesäubert und geputzt. Während hinter dem Tresen die letzte Schraube reingedreht wurde, kamen schon die ersten Gäste zur Tür herein.
Kleine Bühne
Der Lokalraum ist mit weißer Farbgebung sehr hell gehalten, für Bilder-Ausstellungen optimal, weil auch dafür sehr viel Platz zur Verfügung steht. Zentral fällt immer wieder der Blick auf eine große unverputzte Ziegelwand in der Mitte. Bequeme Bänke und Sessel umrahmen die außergewöhnlichen Naturholztischplatten, allesamt natürlich gewachsene Unikate. Zwei große Weinfässer sind nicht nur als Deko, sondern stilecht als Tische mit Barhockern vorgesehen. Ein kleines Weinfass wurde zum Hocker umgearbeitet. Der Bartresen schmiegt sich im in L-Form vor die Wand. Insgesamt sind 45 Innenplätze vorhanden. Ein raumbreites Podest vor dem Bogenfenster am Eingang soll auch als offene Bühne genutzt werden. Für Lesungen, Musik und mehr. Geplant ist außerdem eine monatliche Weinprobe, um Neuheiten vorzustellen, inklusive durchprobieren. Frühschoppen mit Weißwürsten und Leberkäs im Wechsel werden das Programm abrunden. Wer auf Alkohol verzichten möchte oder muss, findet hier Rebensaft-Alternativen, ohne Einschränkung beim Genuss.
Von Niederbayern nach Franken
Eigentlich kommt Uwe gebürtig aus dem Raum Vilshofen/ Passau. Gelernt hat er Restaurant Fachmann in einem Sternelokal. Sein beruflicher Weg führte auch durch viele Hotels und Events, wie etwa für Unternehmen wie Porsche und Adidas. Insgesamt hat er heute 35 Jahre Gastronomie Erfahrung. „Seit 20 Jahren bin ich in Nürnberg. Vorher in Niederbayern arbeitete ich in einer schwulen Pension und hab so schon viele aus der Nürnberger Community kennengelernt. Es war richtungsweisend, Zufall und ein Glücksgriff, dass ich sofort ein Job-Angebot hier in der Szene bekommen hatte“, erinnert sich Uwe. „Ich wollte damals einen neuen Lebensabschnitt beginnen, und es war offen, wo es hingeht.“ Sein alter Ego, die Crazy Ulla, wird zur CSD Nürnberg Demo reaktiviert werden. Zuerst für die Mitfahrt auf einem LKW, danach für einen Abend als „Wirtin beim Heurigen auf fränkisch“. Das s’Weinbeisl will aber vom Grundsatz her keine weitere Partybar sein. Gezielt ruhig und stressfrei soll es hier zugehen. „Einfach sitzen, unterhalten, reden und sich nicht anschreien müssen. Urban erwachsen trinken. Gerade mit der neuen Fußgängerzone vor der Tür mit dem großen Außenbereich ist es der optimale Ort“, betont Uwe. „Es gibt kein Konkurrenzdenken mit den Nachbarn. Jeder hat sein Stammpublikum. Das Miteinander funktioniert. Das macht alles leichter, denn schwer ist es eh genug“.
Fotos/ Text: Norbert Kiesewetter
GAYCON Juli 2022
Weinbar s'Weinbeisl
Johannesgasse 22
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten:
Di - Sa 15:00 bis 00:00 Uhr