Franke rockt München
Gelungene Überraschung: Stefan Modschiedler (46) aus Erlangen ist der neue Bavarian Mister Leather 2019 und damit Repräsentant der gesamtbayerischen Leder- und Fetischszene! Im Rahmen des 17. Starkbierfestes vom Münchner Löwen Club (MLC) am vierten Märzwochenende bekam Stefan die meisten Stimmen der anwesenden Gäste im ausverkauften Oberanger-Theater. Der Nürnberger Lederclub freut sich über einen erneuten Titelgewinner aus den eigenen Reihen. Erst 2017 holte Manfred Herbst die Auszeichnung ins Frankenland (GAYCON berichtete). Zum GAYCON Fotoshooting / Interview mit Stefan trafen wir uns beim Markgräflichen Schloss in Erlangen.
„Es war eine Wahnsinnserfahrung! Nach der Wahl ist mein Handy regelrecht explodiert vor Glückwünschen. Hätte ich nie gedacht, dass ich derart über die sozialen Netzwerk-Kanäle bombardiert werde. Grund war auch, dass mein Profil sofort nach der Wahl automatisch in viele Mister-Gruppen eingefügt wurde. Ich beantworte heute immer noch Botschaften, eine Woche nach dem Ereignis“, beschreibt Stefan die positive Reaktion. „Auch hinter der Bühne war es eine tolle Stimmung, ein schöner Zusammenhalt unter uns drei Bewerbern. Es gab keinen Grabenkampf, sondern wir haben uns immer während der Umziehzeit gegenseitig persönlich Tipps gegeben. Und haben uns gemeinsam motiviert: ‚Wir rocken jetzt die Bühne!‘. Ein schönes Erlebnis. Gemeinschaft bilden, das ist mein Ding!“ Erst eine Woche vor dem Starkbierfest spürte Stefan Anzeichen einer innerlichen Aufregung. Die Rede wurde einstudiert und auswendig gelernt. In der Nacht zum Wahlabend hatte er nur drei Stunden Schlaf gefunden. „Am Wahltag war ich vor dem Auftritt wahnsinnig aufgeregt, doch auf der Bühne legte sich das. Bei der Interview-Runde mit Bernd Müller, der hervorragend moderierte und uns damit auch die Aufregung nahm, lief es noch so super, dass ich das Mikrofon gar nicht mehr aus der Hand geben wollte. Nur als ich dann 90 Sekunden ganz allein auf der Bühne reden sollte, während mich alle Gäste anstrahlten, wurde ich so nervös, dass ich für gefühlte fünf Minuten einen Black out hatte. Ich wusste in diesem Moment nicht mehr, wie mein Name lautet! Ich improvisierte einige Worte. Der ganze Saal applaudierte zwar spontan, aber ich dachte, jetzt sei es vorbei. Den Titel schaffst du nicht mehr“, erinnert sich Stefan an diesen Moment. „Auf dem Videomitschnitt sieht man, meine gefühlten Minuten waren in Wirklichkeit nur Sekunden. Wieviel Stimmen jeder Kandidat bekommen hat, wissen wir nicht. Es ist eine Sympathie-Wahl. Das kann man vorher nicht einschätzen.“
Als Franke keine Chance?
Das Schlüsselerlebnis liegt ein paar Monate zurück. Bei der Nürnberger Mr Fetish Germany Wahl im November 2018 hatten die Vorstände des Münchner Löwen Clubs Stefan persönlich angesprochen, ob er nicht Lust hätte, sich um den Titel zu bewerben. Erst nach Rücksprache und Erfahrungsaustausch mit Manfred (Mister 2017) und Vorstandskollegen des Nürnberger Lederclubs, die ihn dabei unterstützen würden, traute er sich doch noch. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich zu bewerben. Ich dachte, als Franke hätte man kaum Chancen. Ab November habe ich dann begonnen, auf Facebook mit mehr Titelträgern zu kommunizieren. Bei Events war mir die persönliche Ansprache mit ihnen wichtig. Die meisten denken, diese gewählten Männer sind durch die Auszeichnung irgendwie unnahbar geworden. So könnte für manche der Titel auch ein Fluch sein“, gibt Stefan zu bedenken. „Durch diese Kontakte hatte ich auch viel persönlichen Zuspruch und Motivation für meine Bewerbung bekommen. Und auch der Druck stieg an, weil ich ein Perfektionist bin und viele mich in Chicago sehen wollten.“ Bei seinem Arbeitgeber hatte Stefan vorsichtshalber schon mal die Urlaubsplanung abgesprochen, für den Fall der Fälle. Nun wird er den gesamten Jahresurlaub für sein neues Amt in Anspruch nehmen. Bereits geleistete Überstunden sind ihm ein hilfreicher Zeitpuffer.
Aus der fränkischen Provinz
Stefan ist in Erlangen geboren, in Neukirchen am Brand aufgewachsen. In Gräfenberg besuchte er die Realschule. Der anschließend absolvierten Ausbildung zum Elektroniker folgte noch die Weiterbildung zum Elektro-Techniker über die Abendschule. Nach der Ausbildung zog er 1996 wieder nach Erlangen, wo er aktuell in einem großen Elektrokonzern beschäftigt ist. „Ich hatte ein spätes Outing, denn ich fühlte mich wie der einzige Schwule im Dorf und hatte keinen Kontakt zur Szene. Erst nach der Ausbildung mit eigener Wohnung und Auto wurde ich aktiver. Dann ging ich öfter in der Nürnberger Szene, wie Walfisch, Entenstall, Vicking Club. Viele dieser Kneipen gibt es heute nicht mehr“, erinnert sich Stefan, der im Herzen konstant 25 geblieben ist. „Mir hat Lederkleidung schon immer gefallen, konnte sie damals jedoch nie so tragen, außer wenn ich mal in München oder Berlin war. Deshalb habe ich begonnen, Motorrad zu fahren, weil es dann unauffälliger war.“ Erst seit 2017 ist Stefan Mitglied im Nürnberger Lederclub. Im Februar 2018 wurde er sogar in den fünf Mitglieder starken Vorstand des NLC gewählt. Er kannte zwar vorher schon den Club, doch traute er sich damals allein nicht hin. Das Eis brach auch durch die Zusprache seines Kumpels Tom. Inzwischen hat der gestandende Lederkerl natürlich einen angemessenen Fundus an Lederklamotten. Seit 2012 ist Stefan außerdem im schwulen Fußball Fanclub „Norisbengel“ des 1. FCN. Allerdings muss er aus Zeitmangel sein Engagement dort stark einschränken. Über eine Tupperparty ist er wie die ‚Jungfrau zum Kind‘ zu einer Nebenbeschäftigung gekommen, die ihm seit elf Jahren viel Spaß bereitet. Das hat ihm auch richtig dabei geholfen, das freie Reden vor Publikum zu trainieren. Eine sehr nützliche Eigenschaft, wenn man plötzlich eine Ansprache als Titelträger halten soll. „Das war auch fast wie eine riesige Tupperparty“, zwinkert Stefan schelmisch.
Ziele in der Community
Als Mister möchte er den Fetisch innerhalb der LSBTIQ*-Community sichtbarer machen. Es liegt ihm sehr daran, den Zusammenhalt zu stärken. Es sollen nicht alle getrennt ihr Süppchen kochen, Stefan wünscht sich mehr Miteinander in den unterschiedlichsten Gruppen und Vereinen. „Ich sehe mich als Repräsentant der gesamtbayerischen Leder- und Fetischszene und will dabei Sprachrohr und Vermittler sein“, waren sein Worte am Wahlabend. Als PrEP-User möchte er Vorurteile abbauen und mehr Aufklärungsarbeit über ‚Safer Sex 3.0‘ leisten. Regelmäßige HIV-Tests sowie STI-Checks sind dabei das Wichtigste. Sein Motto, welches er nun mit auf den Weg nimmt: „Better Together – Arsch hoch. Packmer´s!“
Fotos/ Text: Norbert Kiesewetter
GAYCON April 2019