Chronologisch von oben nach unten: Bericht Einweihung Verschoben, Vorstellung Gedenkstein, Vernissage Ausstellung Egidienkirche 2020
Verschoben
Flossenbürg: Die für Sonntag den 11. Oktober 2020 geplante Einweihung des Denkmals für die Männer, die als Homosexuelle im KZ Flossenbürg inhaftiert waren, ist abgesagt. Aufgrund der aktuell steigenden Anzahl der Corona-Infektionen – auch in der Region – haben sich Fliederlich e.V. und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zu diesem Schritt entschlossen, nur Stunden nach der Pressekonferenz im Nürnberger Fliederlich-Zentrum am zweiten Oktober-Donnerstag. Ein Ersatztermin findet nicht vor Frühjahr 2021 statt. Zahlreiche Politiker hatten schon zugesagt. Unter anderem Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Karl Freller, Landtagsvizepräsident und Direktor der Stiftung bayerische Gedenkstätten. Hintergrund: Im Konzentrationslager Flossenbürg wurden mindestens 379 Männer von der SS als Homosexuelle registriert. Nachweislich 95 von ihnen starben im Lager. Sie waren nicht nur gewalttätigen Übergriffen durch die SS ausgesetzt, sondern wurden auch durch andere Insassen bedroht. Das queere Zentrum Fliederlich e.V. hat es sich zusammen mit der queeren Community in Nürnberg und Umgebung zur Aufgabe gemacht, diesen Menschen ein Denkmal in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zu setzen. Allerdings ist das Projekt erst zu zwei Dritteln finanziert! Deshalb wird es am Sonntag den 08. November 2020 um 20:00 Uhr noch eine Benefiz-Gala-Show im Paradies-Theater geben. Außerdem freuen sich die Organisatoren über weitere Spenden, auch fünf Euro helfen schon weiter! Spendenkonto beim Verein Fliederlich: „Gedenkplatte KZ Flossenbürg“; IBAN: DE76 0501 0100 1375 1185; BIG: SSKNDE77XXX; Spendenquittungen ab einer Spende von 100 Euro werden ausgestellt bei: Fliederlich e.V. Sandstr. 1, 90443 Nürnberg, Tel: 0911/ 4234580.
Gedenkstein
Bei der Informationsveranstaltung zum geplanten Denkmal für die Männer, die als Homosexuelle im KZ Flossenbürg inhaftiert waren, erschien am dritten Februar-Donnerstag viel interessiertes Publikum aus der queeren Community im Nürnberger Fliederlich-Zentrum. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Julius Scharnetzky von der Gedenkstätte gab einen historischen Abriss der Verfolgung schwuler Männer in der Zeit der Nationalsozialisten. Anschließend wurde das geplante Denkmal von Steinmetz Bastian Brauwer vorgestellt.
Durch die Verschärfung des §175 im Jahr 1935 war jede körperliche „gleichgeschlechtliche Handlung“ strafbar, sogar bloßes Anblicken oder Berühren führte zur Verfolgung. In der Ideologie der NS-Zeit sollten Körper gesund und stark sein, Homosexuelle gehörten nicht dazu. Den Untergang des alten Griechenlands stellte man sich als Folge homosexueller Lebensart vor. Deshalb hatten die Nazis auch die Befürchtung, Homosexuelle könnten irgendwann an politischen Schaltstellen die Macht übernehmen und auch die Auslöschung des deutschen Volkes herbeiführen. Außerdem entzögen sie sich bewusst der Fortpflanzung. Maßgeblich für die Verschärfung der Verbrechen an Schwulen kam eine Verschiebung des Machtgefüges innerhalb der NSDAP hinzu, die Homophobie eskalierte. Die Überzeugung, dass lesbische Frauen als heilbar durch Geschlechtsverkehr angesehen wurden, hielt deren Opferzahlen im Vergleich sehr niedrig. Ebenso wurde Homosexualität in annektierten Ländern weniger scharf verfolgt, denn dort war die Dezimierung durch Nicht-Fortpflanzung willkommen. 70.000 Verurteilungen homosexueller Männer sind mit Akten protokolliert. Nach Schätzungen sind davon etwa 5.000 bis 10.000 in den Konzentrationslagern umgebracht worden. Nach Protokollen waren im KZ Flossenbürg 378 Männer als vergleichsweise kleine Haftgruppe untergebracht, davon sind 25% dort gestorben. Im Vergleich lag die Sterbequote in anderen Lagern bei 50%.
Probleme der Forschung
Weil der §175 nach 1945 unerträglich lange seine Gültigkeit nicht verlor, hatte niemand Interesse daran, die homosexuellen Opfergeschichten zu hören. „Deshalb gibt es nur ganz wenige schriftliche Erinnerungen. Es ist kein Rosa Winkel im Original aus der Zeit erhalten geblieben, viele Opfer wollten sich nach der Befreiung schützen“, erzählt Scharnetzky aus seiner Forschungsarbeit. „Nach unseren Erkenntnissen sind sie nicht vergessen, es war eine nicht gewollte Opfergruppe.“ Homosexuelle Gefangene wurden nicht nur von der SS, sondern auch von anderen Gefangenen in den Lagern bedroht und waren von überlebenswichtigen Positionen ausgeschlossen. Absichtlich wurden Vorurteile zwischen allen Insassen geschürt, auch deshalb die Idee der Nazis mit den verschiedenen Winkel-Markierungen: Die Struktur der Endsolidarisierung gegeneinander. Nur so war es möglich, dass 3000 Gefangene von 300 Wärtern in den Lagern kontrolliert werden konnten. Manche Homosexuelle gingen Zwangsbeziehungen etwa mit dem Blockältesten ein, um zu überleben. So sicherten sie sich eine notwendige Essensration. Sie begaben sich damit aber auch in eine lebensbedrohliche Abhängigkeit, ein Bekanntwerden wäre das Todesurteil gewesen. „In eigenen Reihen gingen die Nazis ebenfalls streng vor. Nach unseren Protokollen wurde ein hochrangiger SS-Offizier ebenfalls wegen §175 nach Flossenbürg inhaftiert“, berichtet Scharnetzky. „Ein Täter wurde zum Opfer.“ Weil die Gefangenen im Konzentrationslager Flossenbürg bei Weiden im Oberpfälzer Wald mit Steinbrucharbeiten, also mit viel Schmutz und Staub zu tun hatten, wurde der Rosa Winkel ab 1941 dort abgeschafft. Die rosa Farbe war nicht mehr zu erkennen. Deshalb wurde mit einer Mischung aus Schwarzen und Grünen Winkeln mit gelben Strichen gearbeitet. Lange hatte das für Rätsel in der Forschungsarbeit gesorgt.
Denkmal
Nun soll in der Gedenkstätte Flossenbürg ein Denkmal für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus errichtet werden. Auch viele Nürnberger Schwule waren darunter. Ein Prisma aus Wachenzeller Dolomit in Dreiecksform mit einer Höhe von 170 cm soll es nun werden. Als Erinnerung an die Häftlingswinkel wird der Stein so abgeschrägt, dass die Schnittstelle ein gleichseitiges Dreieck darstellt. Ein polierter Feinschlief wird diese Fläche glatt ausfallen lassen, während die Säule insgesamt in poröser Oberfläche bleibt. Ursprünglich sollte ein rosa Jura verwendet werden, doch nach der aktuellen Forschung, dass einerseits die rosa Winkel in Flossenbürg abgeschafft wurden und dass andererseits Juragestein für die frostigen Winter in Flossenbürg weniger geeignet ist, änderte Steinmetz Bastian Brauwer die Gesteinsart. Die Gedenkstätte wünscht sich die Aufstellung im Tal des Todes. Ein Mustermodell aus Pappe soll jedoch den genauen Standort abschließend klären, weil das Denkmal im Vergleich zu anderen Erinnerungsstelen sehr filigran ausfällt. Wenn alles reibungslos klappt, wäre die Einweihung dieses Jahr zum 75. Tag der Befreiung im April 2020. Das Denkmal wird rund 6.000 Euro kosten. Die queere Community Nürnberg hat bereits die Hälfte über Spenden gesammelt. Weitere Spenden sind erwünscht.
Foto/ Text: Norbert Kiesewetter
GAYCON Februar 2020
Spendenkonto beim Verein Fliederlich:
„Gedenkplatte KZ Flossenbürg“
IBAN: DE76 0501 0100 1375 1185
BIG: SSKNDE77XXX
Spendenquittungen ab einer Spende von 100 Euro werden ausgestellt bei:
Fliederlich e.V. Sandstr. 1, 90443 Nürnberg, Tel: 0911/ 4234580
Vernissage
Am letzten Januar-Freitag wurde die beachtenswerte Ausstellung „Schwules Leiden im KZ Flossenbürg“ in der St. Egidien-Kirche (Egidienplatz 12) eröffnet. Rund 80 Gäste verfolgten die bewegende Vernissage mit Konzert. Kurator Prof. Hans Simon Pelanda war ebenfalls zu Gast. Musikalisch umrahmt hat das Ensemble Einklang u.a. mit Werken wie der Mauthausen-Kantate von Mikis Theodorakis, Musik aus dem KZ Theresienstadt und einer Eigenkomposition von Marcel Rode. In der beeindruckenden Akustik der St. Egidienkirche kam die Aufführung besonders zur Geltung. Zwischen den Musikstücken zitierte Michael Aue detailreiche schreckliche Erlebnisse schwuler Männer aus dem Buch „Die Männer mit dem Rosa Winkel“. An dieser Stelle wurde sicher jedem Anwesenden noch mehr bewusst, wie wichtig das Erinnern ist. Die Ausstellung zeigt Werke der beiden Künstler Hugo Walleitner und Richard Grune, die wegen ihrer Homosexualität im KZ Flossenbürg inhaftiert waren und ihre Erfahrungen nach 1945 künstlerisch verarbeiteten. Im KZ standen die Gefangenen mit dem „Rosa Winkel“, mit dem sie wegen ihrer Homosexualität nach dem § 175 verfolgt, gefangen genommen und stigmatisiert wurden, in der Hierarchie auf der untersten Stufe. Oftmals wurden sie zusätzlich gequält und besonders schikaniert. Der Maler Richard Grune (1903-1983), ein Bauhausschüler u.a. bei W. Kandinsky und P. Klee, sowie der österreichische Designer und Zeichner Hugo Walleitner (1909-1982) schufen mit ihren Lithographien und Zeichnungen beeindruckende Zeugnisse ihrer eigenen, aber auch der Erfahrungen anderer Leidensgenossen mit Demütigung, Erniedrigung und schließlich Ermordung vieler Kameraden. Organisiert wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der „Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg e. V.“ dem Bündnis gegen Trans- und Homophobie und dem queeren Zentrum Fliederlich e. V. +++ Öffnungszeiten täglich bis 23. Februar 2020 von 11:00 bis 16:00 Uhr. +++