Erinnerungen
Projektleiter Daniel Baranowski stellte das „Archiv der anderen Erinnerung“ der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld am zweiten Februar-Donnerstag in der Nürnberger C.Rauch’schen Buchhandlung vor. Es umfasst lebensgeschichtliche Videointerviews von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender, Inter und queeren Menschen (LSBTTIQ) aus der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik von 1930 bis heute. Baranowski berichtete, dass ursprünglich an zehn Zeugen-Interviews gedacht war. Inzwischen wurden 53 Personen dokumentiert. 30 stehen auf der Warteliste. Die Magnus Hirschfeld Stiftung kann aber nur maximal sieben Interviews im Jahr produzieren. Denn diese sind sehr aufwendig und umfangreich. Bis zu zehn Stunden dauert eine Produktion vor Ort. Die Zeugen sprechen über ihr Leben und das Material wird nicht geschnitten, um alle Daten in vollem Umfang für Auswertungen zu erhalten. Außerdem berichtete Baranowski, dass zum Beispiel schwule Männer, die nach dem §175 verurteilt wurden, nach der Rehabilitierung durch den Staat anders über die Situation sprechen als bei vorherigen Interviews. Vier kleine Video-Ausschnitte dienten als Beispiel für das Projekt. Eine ältere Frau berichtete über den Unfalltod ihrer langjährigen Freundin und die anschließenden Probleme mit Trauer, Auskunftsverweigerung der Ärzte bis zu Familien-Erbstreitigkeiten. Sogar bei eigenem Geld und Schmuck verweigerte man ihr die Rückgabe, was finanzielle Not zur Folge hatte. Ein mutiger älterer Mann offenbarte in einem Zeitungsinterview, dass er Opfer des §175 wurde und dass sich, nachdem er sein Schicksal öffentlich machte, die gesamte Familie zurückzog. Dabei hatte er damals lediglich die Hand aufs Knie eines männlichen Kino-Sitznachbarn getan. Er galt deshalb jahrelang als verurteilter Straftäter. Ein spannender Abend mit der erschreckenden Erkenntnis, dass vieles erst vor ein paar Jahrzehnten passierte. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe "Queer gedacht" der Koordinierungsstelle LSBTI der Stadt Nürnberg statt. (NK)
Weitere Infos unter Magnus Hirschfeld Stiftung: Archiv der anderen Erinnerung