Chronologisch von oben nach unten: Schließung & Link Interview (2017), Jubiläumsfeier & Bericht 30 Jahre Saunaclub (2014)
Sauna 67
Nach über 32 Jahren und sieben Monaten hat nun Kurt Persy den Sauna Club 67 in der Nürnberger Nordstadt aus gesundheitlichen Gründen am dritten Juli-Samstag schließen müssen. Doch es gibt einen Lichtblick, dass die Nürnberger Saunageschichte in der Nordstadt weitergeschrieben werden kann. Die Verhandlungen mit dem Vermieter sind soweit fortgeschritten, dass es vorrausichtlich im November 2017 eine Wiedereröffnung zu feiern gibt. +++ Update: Leider hatten sich die Wiedereröffnungspläne im Herbst 2017 zerschlagen. Damit wurde die über 32-jährige Saunageschichte in der Nürnberger Nordstadt für immer abgeschlossen. +++ Hier geht es zum Interview mit Kurt Persy:
Jubiläumsfeier im Saunaclub
30 Jahre Saunaclub 67. In einem festlichen Rahmen wurde am Montag den 15. Dezember 2014 der 30. Geburtstag des Saunaclubs gefeiert. Der aktuelle Betreiber Kurt übergab eine Ehrenurkunde an Stuzi, als Mitarbeiter des Clubs seit der Anfangszeit. Zwei Saunagäste bekamen Blumensträuße sowie Zehner-Freikarten, womit sich Kurt für ihre Treue seit der ersten Stunde bedankte, stellvertretend für die zahlreiche langjährige Stammkundschaft. Emotionen kamen hoch, als Gründer Richard im Fernsehraum erschien und Kurt ihm ebenfalls einen Blumenstrauß überreichte. Richard betonte, dass es ohne die Unterstützung von Stuzi in der Anfangszeit nicht geklappt hätte und Kurt die Sauna hervorragend weiterführt. Es gab für alle Gäste Sekt, ein Kuchenbuffet und einen Wandkalender für 2015. Anscheinend waren alle anwesenden Gäste brav, denn Nikolaus Charlie brachte weder die große Rute noch den Sack zum Einsatz.
NK/ GAYCON Dezember 2014
Von einer fixen Idee zum Lebenswerk
Ein rundes Jubiläum wird am 15. Dezember 2014 in der Nürnberger Nordstadt gefeiert: 30 Jahre Saunaclub 67 (Pirckheimer Straße 67)! Aus diesem Anlass beträgt der Jubiläums-Eintrittspreis von Montag 15.12. bis Donnerstag 17.12. nur 10 Euro! Am Montag gibt es für jeden Besucher ein Glas Begrüßungssekt gratis. Außerdem werden einige Personen geehrt. GAYCON sprach bei einem HAUSBESUCH mit einem der beiden Begründer, Richard Siepl (66), und mit dem aktuellen Betreiber Kurt Persy (54).
In der Altbauwohnung im Stadtteil St. Peter reihen sich im Wohnzimmer bibliothekartig die Bücher an den Wänden entlang bis hoch zur Decke. Ein sehr belesener Saunagründer erwartet uns schon ganz aufgeregt. Wobei er im Gespräch oft eher schüchtern reagiert, vor allem tiefstapelt. Also, inzwischen ganz ‚a echter Franke‘, nur nicht zeigen, was man kann. Dass er Kunsthistoriker mit Studium ist, soll ich auf gar keinen Fall schreiben! Ich tue es trotzdem, weil mir dieser bescheiden gebliebene Mann mit dem liebenswerten tschechischen Akzent auf Anhieb sympathisch ist. Der Zufall wollte es, dass es ihn 1981 aus Prag kommend in die Frankenmetropole verschlug. Anfangs ins Zirndorfer Aussiedlerlager, doch bald schon fand er Arbeit in einer Fabrik. „Bei einem Besuch in München sah ich eine schwule Sauna mit Pool. Es war wie im Märchen…“, schwärmt Richard mit leuchteten Augen und ringt nach Worten. „Daraufhin kündigte ich im Sommer 1984 meine Arbeit. Mit meinem Kumpel Paul sahen wir eine Existenzfähigkeit in der Kombination Sauna & Kino. Denn in Nürnberg gab es noch keine für schwule Männer.“ Die Idee war geboren. Die zwei Männer kratzten ihre dürftigen Ersparnisse zusammen, aber einen Kredit bekamen sie nicht. Eine Tante aus Regensburg leistete schließlich finanzielle Starthilfe. Das Objekt in der Pirckheimer Straße wurde in der Zeitung angeboten. „Es gibt Schicksalsmomente im Leben. Die richtige Größe der Räume, mit Erfrischungs-Tauchbecken und Extraeingang im Hinterhof. Nach pikanten Geschichten eines Privatclubs wollte der Besitzer auch keine Frauen mehr in den Räumen haben“, erinnert sich Richard, dem damals ein Stein vom Herzen fiel. Der Saunaclub 67 war geboren, am 15. Dezember 1984 wurde eröffnet. „Wir waren so naiv! Wir glaubten an eine Goldgrube. Mein Kumpel Paul hatte als Hetero auch noch eine Familie zu versorgen. Doch stattdessen haben wir von der Hand in den Mund gelebt.“ Die Werbung erfolgte über Handzettel, die in öffentlichen Toiletten aufgehängt wurden. In den Nürnberger Szenekneipen traute sich Richard keine Infos auslegen, weil er dort noch nicht Kunde war. „Ich konnte nur schlecht deutsch sprechen. Mein ganzes Geld habe ich in die Sauna reingesteckt und konnte dadurch kaum meine eigene Wohnungsmiete bezahlen“, so seine Erinnerung. „Am ersten Tag kamen nur fünf Männer. Aber wir mussten durchstarten, wir hatten einen Mietvertag für fünf Jahre unterschrieben. Über Mundpropaganda und weitere Handzettel hatten wir nach zwei entbehrungsreichen Jahren endlich unsere Stammkundschaft.“ Das Geld wurde immer wieder in die Erneuerung der Einrichtung investiert. Dafür verzichtete er auf privaten Luxus wie ein eigenes Auto. Beruflich schulte er zum Masseur um. Aus einer fixen Idee war inzwischen eine Lebensaufgabe geworden.
Freistaat wollte Sauna schließen?
In der aufkommenden HIV/AIDS-Phase Ende der 80er Jahre wusste die Politik nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Aus einem Bericht der Deutschen AIDS-Hilfe aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass in dieser Zeit Peter Gauweiler mit seinem Maßnahmenkatalog berühmt geworden war. Er ließ in der Münchner Szene Lokale und Saunen unter diversen Begründungen schließen. Außerdem kontrollierte die Polizei in den Münchner Szenelokalen routinemäßig und schikanierte die Gäste mit Aufnahme der Personalien. Die Verteilung von Kondomen untersagte man, weil das als Animation zum Sex gewertet wurde. Doch Mitarbeiter der örtlichen AIDS-Hilfe durften Kondome zur Prävention auslegen. Also wurden kurzerhand die Sauna- und Lokalbesitzer zu Mitarbeitern der AIDS-Hilfe. „Ich bin mir sicher, dass auch unsere Sauna in dieser Zeit ins Visier genommen war. Auch in Nürnberg hatte die Kripo eine Rosa Liste mit Namen angefertigt. Aber dank Jürgen Wolff und seiner Fraktion wurde die Schließung verhindert“, beschreibt Richard die schlimme Zeit. Als später in den 90er Jahren hinter dem Bahnhof die Konkurrenz eröffnete, war er natürlich nicht begeistert. „Ich hatte das Geld nicht, unsere Einrichtung zu vergrößern oder in andere Räume zu wechseln. Aber wir konnten wunderbar fünf Jahre nebeneinander leben, wobei sich bei mir die reifere Männerschicht wohlfühlte“, erinnert er sich. Doch dann folgte ein Erlebnis, das ihm heute noch sauer aufstößt. „Der damalige Konkurrent erschien eines Tages, stellte sich frech hinter meine Theke und teilte mir mit, jetzt werde er meinen Saunaclub 67 kaufen und dann gleich schließen!“ Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Die Arbeit im Saunaclub war zwischen Richard und Paul aufgeteilt. Jeder hatte seine Stammkunden, im Monatsrhythmus wechselten sie die Schichten. Bis Paul im Jahr 2004 aufhörte. „Es ist trotzdem gut gelaufen. Ich bin in der Sauna aufgegangen bis zum letzten Tag“, betont Richard, der aus gesundheitlichen Gründen Ende 2011 seinen Nachfolger berief.
Vom Bäcker zum Geschäftsmann
„Seit die Straßenbahn stillgelegt wurde, trauen sich viele türkischstämmige Gäste nicht mehr zu uns. Wenn die Tram an der Haltestelle stand, war sie ein Sichtschutz für den Dönerstand gegenüber und so konnten sie unbemerkt zu uns in den Hinterhofeingang kommen“, berichtet Kurt, der seit 2012 die Saunaführung übernommen hat. Besonders stolz ist er auf die langjährige Zusammenarbeit mit der AIDS-Hilfe. Seit jeher werden im Saunaclub 67 Kondome kostenlos zur Verfügung gestellt. „Die reifere Besucherstruktur ist insgesamt erhalten geblieben. Mir fällt auf, dass auch wieder mehr 40- und 30-jährige vorbeischauen. Männer, die wissen was sie wollen, kommen zu uns. Es ist wie eine Familie.“ Eigentlich war Kurt am 01.11.92 auf der Heimfahrt nach Duisburg und legte nur einen Zwischenstopp in Nürnberg ein. Im Saunaclub lernte er jemanden kennen, der zufällig ein schönes Zimmer frei hatte. Kurt fand tatsächlich spontan einen Job in einer Großbäckerei in Großgründlach und brach zum Jahresanfang 93 seine Zelte in Duisburg ab. „Meine Vermieterin war gestorben und ich musste sowieso aus der Wohnung raus. Meine beste Freundin hatte mir Mut zu einem Neuanfang gemacht und die Arbeit als Bäcker hatte ich hingeschmissen, als ich hier den Job fand“, erinnert sich Kurt, der bis dato zwangsgeoutet lebte. „Ich wollte einen Neuanfang machen und in Nürnberg offen schwul leben. Jetzt fühle ich mich hier sauwohl und bin zufrieden.“ In den Jahren ist zu Richard eine enge Freundschaft entstanden. Als dessen Mutter zum Pflegefall wurde, vertiefte Kurt die Saunaarbeit. „Durch Richard bin ich zum Geschäftsmann geworden! Ich habe zuerst ein paar Stunden, dann halbe Tage und später kommissarisch den Saunaclub geleitet“, beschreibt Kurt seine Einführung. „Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind. Im Vergleich zu meiner Bäckerarbeit habe ich aber heute mehr Spaß und Lebensqualität gewonnen. Die Sauna 67 war immer meine Heimat und an ihr hängt viel Herzblut auf meine Art.“
Fotos/ Text Norbert Kiesewetter
Historische Fotos Privat
GAYCON Dezember 2014
Richard ist im Vogtland bei Falkenau / Karlsbad aufgewachsen. Sein Vater war im KZ. Zuhause wurde negativ über die Deutschen gesprochen. Der Dialog in einem Kinofilm, dass man mit 33 das Wesentliche im Leben gestartet haben sollte, wurde für ihn zur Initialzündung. „Ich wollte damals nicht nach Deutschland. Kanada oder Amerika waren meine Ziele. Mit einer Reisegruppe fuhr ich nach England und wollte in London um Asyl bitten“, erinnert sich Richard, doch er musste zurück nach Deutschland, in das erste Land seiner Ausreise. „In Deutschland bin ich hängengeblieben. Statt in die Büros von Kanada oder Amerika habe ich hier Asyl beantragt. Ich bereue es aber nicht. Es hatte nur Vorteile für mich. Mein Vater war inzwischen zu alt und hatte keine Kraft mehr, sich aufzulehnen, als ich auch noch mit einem deutschen Mann zusammen war.“