Chronologisch von oben nach unten: Projekt "die männer die steine" (2023), Regenbogen-Präludium (2020)
„Wissen Sie“
Das war die Uraufführung von „die männer die steine“
Die Pegnitzschäfer-Klangkonzepte erinnerten an die Homosexuellen Opfer des Nazi-Regimes mit einer ergreifenden Musik-Aufführung direkt auf dem Mittelteil der Nürnberger Zeppelintribüne am dritten Oktober-Donnerstag. Als ob der Himmel mittrauerte, denn pünktlich zur Darbietung fing der Regen an und hörte auf, als die etwa 300 Zuschauenden dem Ensemble nach der Performance minutenlang applaudierten. Welche Gigantomanie aus Stein, das Darbietungsteam geht auf der Zwischenebene unter der „Führer-Kanzel“ optisch fast unter, aber die Stimmen hallen gewaltig über das ehemalige Reichsparteitagsgelände. Die Instrumental-Töne sind eher verstörend, brechen sich in der nächtlichen Atmosphäre und dann werden die einzelnen Sätze aus den Biographien der Opfer verlesen. Mit Wucht hallen sie über den Platz. Die Namen, die Verurteilungen nach §175, der Tod. Details wo die Männer erwischt wurden. Wo sie durch Arbeit im KZ umkamen. Ein Schauern überfällt einen, dass genau hier einst ein Ort war, an dem diesen NS-Tätern von Massen zugejubelt wurde. Die Seelen der Opfer wurden aufgefordert, zurück zu kehren, jetzt an diesen Ort. Das mutige Projekt kritisierte auch, dass sogar in unserer Zeit dem Erhalt der Steine mit Dampfstrahlern der Vorrang gegeben wurde, vor ein paar Wasserfarbstreifen in Regenbogenoptik.
Ausgangspunkt des Projekts sind 14 Biographien homosexueller Männer aus Nürnberg, die vom NS-Regime verfolgt, verurteilt, in Konzentrationslagern ermordet wurden. Stolpersteine in der Stadt erinnern seit einigen Jahren an ihr Schicksal. Erzählt wurde unter anderem von dem Schriftsetzer Emil Sill, dem Tapezierer Alfred Zöller, von dem Kaufmann Richard Pongratz, dem Bäcker Andreas Hitzler, dem Gürtler Ludwig Herbst und dem Schauspieler Hans Stolle, der am Staatstheater engagiert war. Sie alle fielen dem von den Nationalsozialisten verschärften § 175 zum Opfer. In dem einstündigen Werk erhielten diese 14 Opfer der Nationalsozialisten eine Stimme. Die Gigantomanie der Architektur wird konfrontiert mit dem Ausdruck des Leids von einfachen Menschen, die wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe ermordet wurden. Threnodie von Volker Blumenthaler (Komposition) und Klaus Missbach (Text) nach einer Idee von Wilfried Krüger. „die männer die steine“ ist ein Projekt der Neuen Pegnitzschäfer Klangkonzepte, einem Ensemble für Neue Musik, das mit dem Projekt sein 40-jähriges Bestehen in Nürnberg feiert, in Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg.
Text & Fotos: Norbert Kiesewetter
GAYCON Oktober 2023
Regenbogen weggeputzt
Seit Ende Oktober wird in der Frankenmetropole um das Aktionskunstwerk „Das Regenbogen-Präludium“ auf der Nürnberger Zeppelintribüne diskutiert. Die überwiegende Mehrheit der Nutzer sozialer Medien war begeistert. Allerdings hat die Stadt Nürnberg ganz schnell das Werk von den Blendsäulen wieder entfernen lassen und erstattete Strafanzeige gegen unbekannt. Wegen drohender Schäden am Bauwerk. Nun kontert Bastian Brauwer, geprüfter Restaurator im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk sowie Vorstand des Fördervereins CSD Nürnberg, dass mit dem Hochdruckreiniger Stein und Image zerstört wurden. Die Stadt Nürnberg betont in einer Stellungnahme gleichzeitig, dass sie sich aber mit der verbundenen Kunstaussage identifiziert. Ein Widerspruch?
Damit wurde die ganze Stadt überrascht. In einer nächtlichen Aktion hatte eine anonyme Künstlergruppe die Blendsäulen der denkmalgeschützten Zeppelintribüne oberhalb der „Führerkanzel“ mit wasserlöslicher Farbe bemalt. Somit leuchtete pünktlich am Tag der Kulturhauptstadtentscheidung plötzlich „Das Regenbogen-Präludium“ auf. „Wir betrachten dies als schwer zu missdeutendes Symbol. Und wir haben nicht um Erlaubnis gebeten, denn wir halten diesen Diskursbeitrag für nötig (…) Wir sind mit dem Diskurs zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände vertraut - und teilweise einverstanden. Jedoch darf die kuratorische Praxis nicht zu sehr filtern. Sonst wird der Zugang zum Diskurs erschwert. Wir bitten darum unseren Beitrag als respektvoll und lebensbejahend zu begreifen. Denn der Diskurs wiegt schwer, ist anstrengend und schließt viele aus. Unser Regenbogen ist daher auch Ausdruck ernstgemeinter Kritik. Eigentlich ist er ganz leicht zu verstehen – für viele“, so die Erklärung der Künstlergruppe in der Pressemitteilung. Dass die Stadt die Auseinandersetzung mit dem Erbe der NS-Zeit auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände auch mit den Mitteln der Kunst führen möchte, ist schon lange ein zentrales Anliegen. Der Regenbogen, als Zeichen der LGBTTIQ*-Bewegung, entweiht gleichzeitig diese NS-Mauern. Denn tausende homosexuelle Männer wurden in dieser Zeit verfolgt, nach §175 verurteilt und in Konzentrationslager gebracht. Mit diesem Motiv wären auch jene "Touristen" ausgebremst worden, die vor der Zeppelintribüne ihre Gruppenfotos und Selfies anfertigen. Eine sensationelle Idee, einfach und günstig, gleichzeitig ausdrucksstark. Wäre da nicht der Amtsapparat. Normalerweise klagen alle über die Langsamkeit der Behörden und den Amtsschimmel. Gerade in diesem Fall wurde ausnahmsweise mal der Turbo eingeschaltet! Das finden jetzt viele schade.
Noch am Entstehungstag untersuchte das Hochbauamt der Stadt die bemalten Stellen an der Zeppelintribüne. „Dabei wurde festgestellt, dass die angebrachte Farbe bei längerer Dauer in den porösen Naturstein der Fassade eindringen und sich somit nicht wieder entfernen lassen würde. Außerdem waren Teile der bemalten Stellen durch das Vordach des Mittelbaus der Tribüne nicht ausreichend der Witterung ausgesetzt, die die angebrachten Farben auf natürliche Weise hätte entfernen können“, so der Wortlaut in der Stellungnahme der Stadt Nürnberg. „Die Zeppelintribüne ist verwaltungsintern dem Liegenschaftsamt der Stadt zugeordnet. Dieser Dienststelle oblag es aufgrund der Tatsache, dass die Künstlergruppe anonym und ohne Wissen und Zustimmung der Stadt gehandelt hat, aus versicherungstechnischen Gründen und zur Wahrung der städtischen Interessen eine Strafanzeige zu stellen.“ Dies sei gängige Vorgehensweise. „Die Stadt identifiziert sich mit der Aussage des Kunstwerks und fordert die anonyme Künstlergruppe zu Gesprächen auf, um gemeinsam zu überlegen, ob der temporäre künstlerische Appell an die Gesellschaft verstetigt und gleichzeitig den Anforderungen des Denkmalschutzes Genüge getan werden kann.“
In einer Stellungnahme des Fördervereins Christopher-Street-Day Nürnberg e.V spricht der Vorsitzende Bastian Brauwer auch als Steinmetz- und Steinbildhauermeister, staatl. geprüfter Steintechniker und geprüfter Restaurator im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk. „Die von der Stadt Nürnberg behauptete Aussage, dass ein längeres Belassen der Farben auf dem Gestein eine Verbindung von Farbpigmenten und Gestein und damit Gefahr für das Gestein bedeuten würde, ist fachlich betrachtet schlichtweg falsch. Auch mit fortschreitender Zeit ist hierbei keine Verbindung zu erwarten: Die von den Künstlern verwendete Methode des Farbanstrichs – mineralische Farb-Pigmente in Verbindung mit Methylzellulose (Kleister) – ist eine zu 100 % reversible Maßnahme. Ein späteres Entfernen bedeutet keinesfalls eine Verschlechterung der Situation“, erläutert Bastian Brauwer. „Dagegen bereitet mir der übertriebene, unüberlegte Säuberungs-Aktionismus durch die Stadt Nürnberg fachlich deutlich mehr Sorgen. Das mir beschriebene und auf Bildern sichtbare, offensichtliche äußerst unprofessionelle Reinigen mittels Hochdruckreiniger zerstört nachhaltig die Gesteinsoberfläche des doch eigentlich denkmalgeschützten Gebäudes und begünstigt damit dessen Verfall. Das Nichtauffangen des farbigen Reinigungswassers sorgt ebenso für weitere Verschmutzungen, die erneut aufwändig gereinigt werden müssten.“ Als Fazit schließt Bastian Brauwer seine Stellungnahme mit den Worten: „Die Stadt Nürnberg zerstört mit dem Hochdruckreiniger nicht nur das Gestein, sondern auch ihr, über Jahrzehnte mühsam erarbeitetes, positives Image im Umgang mit ihrer historischen NS-Vergangenheit.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Foto/ Text: NK
Foto: Peter Kunz
GAYCON November 2020