Chronologisch von oben nach unten: Zweite Regentschaft 2020, Regenbogen-Orden für Schwand 2019
Zweite Regentschaft
Das Männerprinzenpaar geht in die zweite Runde. Seit der Inthronisation des Schwander Carnevals Clubs (SCC) am 11. Januar 2020 sind Stefan Knorr (53) und sein Lebensgefährte Christof Reichel (41) offiziell wieder im Amt. Chriss I. und Stefan III. waren überwältigt von den vielen positiven Erfahrungen. Gleichzeitig wurden sie von einer medialen Welle aus Zeitungsberichten, Rundfunk- und Fernsehbeiträgen überrollt. Außerdem nutzten sie den Status des ersten schwulen mittelfränkischen Prinzenpaares als Türöffner für Sachspenden zum Faschingsumzug in Schwand. Übrigens, in dieser Faschings-Saison 2020 hat Mittelfranken noch ein zweites gleichgeschlechtliches Prinzenpaar, das Frauenpaar Marcella & Senada Suljkanovic aus Nürnberg, im Amt! Oberfranken führt allerdings schon mit zwei Paaren in den Geschichtsbüchern: Gerald Fischer & Dirk Stauch „Langstädter Fousanachtern“ (2015/2016) und Ralf & Mathias Kühne „Coburger Narrhalla“ (2017). Stefan und Christof kamen erneut zum Fotoshooting plus GAYCON Interview nach Nürnberg.
„Wir hatten keinerlei negative Erlebnisse. Alle sind freudestrahlend auf uns zugekommen. Wir wurden auch von anderen Faschingsvereinen herzlich aufgenommen. Alle haben mit großer Hilfsbereitschaft reagiert“, erinnert sich Stefan. „Wir wollten eigentlich nicht so einen Medienrummel um unsere Regentschaft. Teilweise erschienen uns sogar Prinzessinnen eifersüchtig, weil die TV-Kameras nur um uns herum schwirrten und wir als Männerpaar im Mittelpunkt standen. Schön ist dieses Jahr, dass wir nicht mehr zu sehr im Fokus stehen. Letztes Mal waren wir Exoten, heute Normalität.“ Neben zahlreichen Zeitungsberichten und einer Doku im FrankenFernsehen waren sie im Bayerischen Rundfunk als Einspieler für Faschingsberichte zu sehen. „Sechzig Termine haben wir absolviert. Die geografisch weitesten waren in Ochsenfurt und in Albertshofen in Mainfranken bei Kitzingen. Nach Albertshofen pflegt der Schwander Carnevals Club eine tiefe Freundschaft mit dem örtlichen Verein“, erzählt Christof. „Interessant war auch, dass der Hilpoltsteiner Donaukurier schneller über uns berichtet hatte als unserer Schwabacher Tagblatt. Selbst die Abendzeitung brachte einen eigenen Beitrag“. Einige Bedenken im Vorfeld gab es im Schwander Verein nur in Bezug auf die Reaktionen im Kindergarten und beim Seniorennachmittag. Hier versteckte sich ein gewisser Zweifel, der sich aber in der Realität sofort in Luft auflöste. „Wir hatten etliche Kinder auf dem Schoß sitzen. Sie zeigten keinerlei Berührungsängste und waren total auf uns fixiert. Am liebsten hätten sie unsere Mützen gehabt. Auf die Frage, wo die Prinzessin ist, hat ein anderes Kind geantwortet: Brauchen wir nicht, wir haben ja unsere zwei Prinzen“, lacht Stefan und freut sich auch, das alle beim Singen und Tanzen mitgemacht hatten. „Alle Veranstaltungen waren ausgebucht. Auch beim Seniorennachmittag. Der Saal war sowas von voll. Wir verteilten an dieser Veranstaltung 120 Rosen zur Freude aller Omas. Von Berührungsängsten keine Spur. Eine Teilnehmerin meinte spontan: So ist jetzt die Zeit.“
Arbeitgeber & Zeit
Natürlich muss der Arbeitgeber mitmachen, sonst könnten die vielen Termine zur Faschingszeit nicht eingehalten werden. Im Unternehmen muss das Ehrenamt generell gewürdigt sein, sonst funktioniert die Amtsausübung nicht. „Es wird oft bekundet, keiner macht mehr was, die Ehrenamtler sterben aus. Das ist eine gewisse Einstellungssache. Man muss sich auch trauen anzufragen. Dann öffnen sich die Türen“, betont Christof. „Natürlich hatte ich unter den Arbeitskollegen auch Neider, die nicht verstehen wollten, welchen Zeitanspruch das Amt mit sich bringt. Neben Schichttausch wurde das auch über Urlaubstage geregelt.“ Ein nicht unerheblicher Faktor sind zudem die Kosten, die so ein Amt im Privatbudget verursacht. Der Faschingsverein kann nur einen kleinen Paulschalzuschuss geben. Neue Prinzenkostüme und Fahrten mit dem eigenen Auto machen schnell große Löcher in die Geldbörse. Doch Christof & Stefan haben in diesem Jahr noch mehr Sponsoren gefunden für einen größeren Flyer und sogar ein Autohaus, welches einen Wagen zur Verfügung stellt, inklusive Benzinkosten. Deshalb wird diese Saison finanziell besser zu bewältigen sein. „Großer Dank geht auch an alle Sponsoren und Gönner, ohne ihre Hilfe wäre vieles nicht möglich!“
Erlebnisse
„Insgesamt war unser erstes Jahr eine super Erfahrung, die jeder Faschingsbegeisterte mal erlebt haben sollte. Unser Amt war im Vergleich zur Rolle der Prinzessinnen deutlich entspannter, weil wir als Männer praktischer gekleidet sind. Der Zeit-Stress für Make-up, Frisur und in Kleider schlüpfen ist quasi weggefallen. Unsere Regentschaft war eine tolle Sache, deshalb wussten wir von Anfang an im Herzen, dass wir weitermachen würden. Aber wir wollten uns nicht aufdrängen, sondern den Verein entscheiden lassen“, erzählen Stefan und Christof, die das zweite Amtsjahr mehr genießen wollen. „Nach der Faschingssaison gab es einen Umbruch im Verein. Die Präsidentschaft wechselte und ein Teil der Helfer zog sich zurück. Der neuen Vereinsspitze signalisierten wir, dass wir weiterhin als Ansprechpartner zur Seite stehen. Auch um in irgendeiner anderen Funktion weiterzumachen, etwa als Hofstaat für ein neues Paar.“ Der Verein war heilfroh über dieses Angebot, weil damit das ganze Erfahrungswissen erhalten bleibt. Letztendlich entschied der neue Schwander Vereins-Präsident Reiner Böck, „das beste Prinzenpaar ist schon da, warum noch weiterschauen?“. Es gab neben den vielen lustigen, auch sehr emotionale Momente und Erfahrungen im ersten Amtsjahr. Einem Mann mit schwerer Körperbehinderung hatten die zwei beim Faschingszug in Allersberg ein rotes Plüschherz in den Schoß geworfen. Das brachte ein Leuchten in dessen Augen und bei seiner Familie flammte deutlich sichtbar Freude auf, für die Prinzen ein sehr emotionaler Moment inmitten der Gaudi. „Das haben wir tiefgründig mitgenommen. Deshalb nehmen wir das Prinzenamt sehr ernst und betrachten es nie als Kasperle-Job. Auch wenn bei manchen viel Schau dabei ist“, betont Stefan und verdrückt sich bei der Erinnerung sogar ein paar Tränen. „Wir hatten damals sehr viel Aufmerksamkeit. Aber wir haben auch einen Prinzen im Rollstuhl kennengelernt. Eine Seele von Mensch, der freudestrahlend alle Termine mit seinem Rolli absolvierte. Das sind die eigentlichen Stars!“
Text / Fotos: Norbert Kiesewetter
GAYCON Januar 2020
Regenbogen-Orden für Schwand
Ein neues Männerprinzenpaar regiert über das Narrenvolk in Franken! Seit der Inthronisation des Schwander Carnevals Clubs (SCC) am 12. Januar 2019 sind Stefan Knorr (52) und sein Lebensgefährte Christof Reichel (40) offiziell im Amt. Die Faschingsprinzen werden als Chriss I. Und Stefan III. zahlreiche Termine wahrnehmen. Auf ihren Wunsch wurde der Orden mit einem Regenbogen gestaltet. Damit hat nun auch Mittelfranken das erste gleichgeschlechtliche Prinzenpaar. Oberfranken führt allerdings schon mit zwei Paaren in den Geschichtsbüchern: Gerald Fischer & Dirk Stauch „Langstädter Fousanachtern“ (2015/2016) und Ralf & Mathias Kühne „Coburger Narrhalla“ (2017). Als hoheitlicher Besuch kamen nun auch Stefan und Christof zum Fotoshooting plus GAYCON Interview auf die Kaiserburg in die Frankenhauptstadt.
Der Ort Schwand mit seinen über 3000 Einwohnern bildet zusammen mit Leerstetten den Markt Schwanstetten, rund 18 Kilometer südlich von Nürnberg gelegen. Seit 1962 regiert hier während der Faschingssaison der Schwander Carnevals-Club und organisiert seitdem unter anderem den Schwander Faschingszug. Dieser erfreut sich immer größter Beliebtheit, denn die Motivwagen sind aufwendig gestaltet und die Karnevals-Tradition wird schon im Kindesalter eingeimpft. Die Begeisterung beim Publikum ist entsprechend hoch. So standen auch Stefan, als überzeugter Schwander, im Astronauten-Kostüm und Christof als Schornsteinfeger im letzten Jahr in der Zuschauermenge. Für Chriss war es der erste Schwander Faschingszug. Im Moment des vorbeiziehenden Prunkwagens mit dem Prinzenpaar ist beiden klar, „das würden wir auch gern mal machen“. Dass dieser beiläufig ausgesprochene Wunsch in Gegenwart eines Garde-Teilnehmers weitergetragen wurde, ist ihnen erst Ende Oktober 2018 bewusst geworden. Als der Verein sie direkt fragte, ob sie sich vorstellen könnten, das nächste Schwander Prinzenpaar zu sein. „Dann musste alles schnell gehen. Wir hatten weitgehend freie Hand mit der Gestaltung. Sei es bei unseren Prinzenkostümen inklusive Kappen, bei Autogrammkarten oder dem Orden. Hier war uns der symbolische Regenbogen wichtig“, betont Stefan, der schon als Kind enttäuscht war, weil nicht wirklich alle Traktoren zur Faschingszeit geschmückt wurden. „Schwierig war die Geheimhaltung bis zur offiziellen Vorstellung Mitte November. Die Eltern fanden es super, nur meine (erwachsenen) Jungs waren sauer, dass sie es aus der Zeitung erfahren haben und nicht persönlich von uns. Natürlich wurde im Ort schon seit Monaten spekuliert, uns hatte aber niemand auf dem Schirm gehabt. Stattdessen war das betroffene, von den Schwandern in Verdacht geratene Paar erleichtert, dass die Fragerei endlich vorbei war.“
Arbeitswelt & Coming out
Die Arbeitskollegen reagierten ebenfalls positiv auf die Prinzen-Ernennung. Die jeweiligen Firmenchefs unterstützen beide, damit die vielen Faschingstermine auch eingehalten werden können. Stefan ist gelernter Koch und Restaurantfachmann, arbeitet aber seit einigen Jahren in der Buchhaltung eines Drahtherstellers in Roth. Christof ist gelernter Einzelhandelskaufmann und Handelsfachwirt. Er arbeitet in einem großen Einrichtungshaus in Fürth als CashOffice- und Servicemanager. Stefan kommt gebürtig aus Fürth, lebt aber seit seinem dritten Lebensmonat in Schwand. Die Eltern haben Fasching vorgelebt durch die Teilnahme an vielen Bällen. Aber generell ist jeder Verein, von Fußball bis Tischtennis, jedes Jahr mit dabei. Für Stefan war es schon damals im Kinder-Prinzenpaar-Alter ein heimlicher Wunsch gewesen, einmal Prinz zu sein. „Ich wollte das Amt später auch mit meiner Ehefrau ausüben, mit der ich einige Jahre verheiratet war. Doch sie war völlig dagegen.“ Aus dieser Ehe stammen übrigens seine Söhne, die inzwischen 28 bzw. 27 Jahre jung sind. „Eigentlich geht mein Sexualleben niemand was an. Aber wenn der richtige Mann in mein Leben kommt, sage ich es meinen Kindern. Als allein erziehender Vater sollten sie es als Erste erfahren“, erinnert sich Stefan. „Ich hab‘ nicht typisch schwul gelebt, niemand wusste Bescheid. Als ich meinen beiden Jungs Christof vorstellte, war es ihnen nur wichtig, dass ich wieder glücklich bin.“ Inzwischen wird viel gemeinsam unternommen. Egal ob in der Familie, im Dorfleben wie bei der Kirchweih, überall ist Chriss gut aufgenommen und integriert. „Inzwischen ist es völlig normal, dass wir zusammen sind. Anfangs guckten Nachbarn interessiert herüber, aber meine Devise ist schon immer, wer nicht fragt, bekommt auch keine Antwort“, betont Stefan. „Wir finden die Sensationslust mancher Medien schade, die uns als schwules Prinzenpaar eher provokativ betitelt hatten“.
Christof ist in Erlangen-Bruck geboren. Er ist mit den ortsansässigen Vereinen aufgewachsen. Auch dort gibt es einen großen Faschingszug. „Schon im Kindergarten wird mitgemacht. Auch in den kleinen Ortsteilen wird intensiv Fasching gelebt. Eltern, Tanten, Freunde, alle machen mit. Mir machte das viel Spaß, auch beim Wagen mitgestalten. Jeder weiß, was zu tun ist, und man ist sofort wieder drin, wenn man länger Pause gemacht hat“, beschreibt Christof seine Erfahrungen. Wobei er allerdings nicht davon träumte, einmal selber Prinz zu sein. „Letztes Jahr habe ich meinen ersten Schwander Faschingszug miterlebt. Ich habe mich sofort wohlgefühlt, es war ein großes Miteinander. Im Dorf ist es doch anders als in der großen Stadt.“
Liebe auf den zweiten Blick
Zwischen Stefan und Christof hat es eher klassisch angefangen. Sie haben sich in der Nürnberger Community kennengelernt. ‚Schuld‘ war der Eurovision Song Contest 2017 im Cartoon. Die letzten Jahre feierte Stefan gemeinsam dort mit Freunden das Event. Allerdings waren diesmal nur an der Bar Plätze frei. „Für uns war das der Hauptgewinn“. Christof hat Stefan schon öfter hier gesehen, doch an diesem Abend wurde deutlich mehr daraus. „Da lächelt mich immer einer an. Ich kann damit nicht gemeint sein“, dachte Stefan. Christof wollte eigentlich nach der Arbeit nicht mehr ins Cartoon gehen, wo die Übertragung bereits im vollen Gange war, aber alleine zuhause den ESC im TV sehen, wollte er auch nicht. „Er schaute mich immer öfter an. Dann habe ich zurückgelächelt.“ Christof hatte einen Platz mit schlechter Sicht zur Leinwand und nur noch Augen für Stefan. Von der TV-Show hat er überhaupt nichts mitbekommen. Als dann Stefan ihn wegen dem Tipp-Spiel fragte, welcher Song wohl gewinnen würde, hat er wahllos einen Titel genannt. Darauf entbrannte eine Lied-Diskussion zwischen den beiden, denn Stefan hatte seine Favoriten bereits auserkoren. Es wurde ein super Abend. Zum Schluss tauschten sie ihre Profilnamen der Blauen Internetseiten. Stefan erinnert sich: „Zwei Wochen gab es keinen Kontakt, es kam keine Nachricht. Das Profil von Christof war nämlich nicht aktiv. Ich war sauer. Denn Christof hat für mich einfach was, was andere nicht haben.“ Als das Profil dann endlich doch aktiviert wurde, telefonierten die zwei nach einem kurzen Chat. „Es war Pfingstmontag, Christofs Kinotermin war geplatzt. Spontan verabredeten wir uns für die SkyBar. Ich glaub‘ nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Aber da ist es passiert“, betont Stefan. „Denn seitdem sind wir zusammen.“
Seit der Bekanntgabe, dass sie die Rolle der Faschingsprinzen ausüben werden, steht daheim das Telefon nicht mehr still. Es gibt viel positive Resonanz, zahlreiche Zeitungen und andere Medien möchten gerne berichten. Anfangs hatte das Christof überfordert, war er doch völlig unerfahren als Interview-Kandidat. Aber inzwischen sind beide völlig relaxt. „Wir wollen aus dem Schwander Faschingszug keine Loveparade machen. Es soll Fasching bleiben. Auf jeden Fall werden wir viel Spaß zu jeder Feier mitbringen“, grinsen die Hoheiten. „Mit einer Portion Fröhlichkeit planen wir, Freude auf die Gesichter zu zaubern. Außerdem sind wir neugierig auf die Reaktionen in der Bevölkerung. Ob die Toleranz nur ein Lippenbekenntnis ist oder ob sie tatsächlich gelebt wird.“
Kontakt Schwander Carnevals Club e.V.
Fotos/ Text Norbert Kiesewetter
GAYCON Januar 2019