Tim mit Nürnberger Lebkuchen im Foyer der Tafelhalle
„Ich bin ein musikalischer Resteverwerter!“
Tim Fischer gastierte in der Nürnberger Tafelhalle
Aktuell tourt der ewig junge Chansonier mit seinem Programm „Tim Fischer singt ein Knef-Konzert“ quer durch Deutschland. Bei seinem Gastspiel in Nürnberg hatten wir die Gelegenheit, ihn persönlich kennen zu lernen.
„Bei jedem Gastspiel in der Nürnberger Tafelhalle wundere ich mich darüber, immer noch zu leben und hier aufzutreten“, feixt Tim, der hier vor 20 Jahren seine ersten Vorstellungen gab. Die Weihnachtsstadt Nürnberg ruft Erinnerungen an seine Kindheit in ihm wach. „Ich bin beseelt von Weihnachten. Als kleiner Junge saß ich brav auf dem Stuhl und habe der Weihnachtsplatte ‚Oh du fröhliche’ gelauscht“, erzählt der im ostfriesischen Delmenhorst aufgewachsene Künstler. Die heiß ersehnte Barbiepuppe habe er zwar nie bekommen, dafür aber einen Barbiebus, ohne Barbie. „Diesen Bus hat es schnell in vier Teile zerschmettert, als ich mich mit meinem kleinen Arsch hineinzwängte und damit den Hang hinunter fuhr“, lacht Tim. Die Nürnberger Altstadt liebt er nicht nur wegen des kultigen Christkindlesmarkts, auch die kulinarischen Schmankerln haben es ihm angetan. „Ich habe mit meinem Mann Rolando auch schon Fahrräder hier gemietet. Entlang der Pegnitz sind wir zu den Landgasthäusern ins fränkische Umland geradelt“, schwärmt Tim.
Tim Jiménez Dominquez, wie er seit seiner Eheschließung amtlich heißt, hat seinen Mann Rolando vor drei Jahren bei einem Kuba-Urlaub, den er mit Freunden verbrachte, kennen gelernt. Der Heiratsantrag folgte nach nur einer Woche. „Es gibt Momente im Leben, da muss man zugreifen, obwohl es sehr leichtsinnig klingt“, meint Tim, „aber man weiß, dass man das Richtige tut. Hier ist unsere Ehe natürlich akzeptiert, auf Kuba denken sie wegen der Namensgleichheit, wir wären Geschwister“. Rolando begleitet Tim auf seine Tourneen und übernimmt u.a. den CD-Verkauf an den Spielstätten. Zwar ist ihr Hauptwohnsitz Berlin, aber dort sind die beiden meist nur auf ´Besuch´.
Das anstehende Weihnachtsfest findet unter spanischer Sonne statt. Tim trifft sich dort mit Freunden, um am nächsten Bühnenprogramm zu arbeiten. „Natürlich habe ich immer wieder Zweifel, Lampenfieber und die Angst zu versagen. Meine Fans möchten eine qualitative Steigerung sehen“, erzählt Tim, „ich habe in meiner Laufbahn so hochwertige Texte gesungen. Ich kann aber keine eigenen Texte so einfach aus den Ärmeln schütteln. Ich sehe mich als musikalischen Resteverwerter.“ In Wahrheit aber sind es Juwelen, die er aufpoliert und so dem Publikum erhält. Als anstrengendsten Part in seinem Job empfindet er das permanente Reisen. „Eigentlich würde ich lieber an allen Spielorten drei Tage warten, bis die Seele nachkommt, um wirklich präsent sein zu können“, erzählt Tim. Auch das Publikum reagiert auf sein Programm überall anders. In kleinen Städten singt er oft vor ABO-Theaterkunden. So sitzen diese überraschungsgierigen Gäste unter dem Motto „Welche Operette wird denn heute gezeigt?“ im Parkett und kennen eigentlich den Künstler Tim Fischer nicht. „Deshalb ist der Saal manchmal stimmungsmäßig eher tot! Dabei sprechen mich soviel junge Einwohner in diesen Städten auf der Straße an und würden gerne auf mein Konzert kommen“, bedauert Tim, „aber die Eintrittskarten sind für die ABO-Kunden weg!“ So freut er sich immer auf eine Großstadt wie Nürnberg, weil hier seine wirklichen Fans im Zuschauerraum sitzen. „Viele wussten nicht, dass Hildegard Knef als großartige Lyrikerin und Dichterin etliche Lieder selbst geschrieben hatte. Sie wurde dafür nie gelobt“, erzählt Tim, „ich finde die Texte toll, weil sie so zeitlos sind. Mit diesen Songs haben wir die schönsten Momente auf den Konzerten.“ Seine Verehrung für die Knef spürte man dann auch im Konzert. Tim Fischer wurde mit jedem Ton zur Einheit. Der gefeierte Star in der ausverkauften Nürnberger Tafelhalle genoss den überwältigenden Applaus und ließ sich auch zu einigen Zugaben bewegen. Zwar bemängelten einige Kritiker in der Tagespresse, dass die Künstlerin Hildegard Knef sich nie auf diese Art zu ihren teils ernsten Stücken bewegt hätte. Wer jedoch das Motto des Abends wörtlich nimmt, kommt natürlich an der Persönlichkeit Fischer nicht vorbei, der niemals behauptet hat, als „die Knef“ zu erscheinen. So geben wir ihm völlig Recht, wenn er die Werke auf seine charmant-graziöse Weise interpretiert. Dass er sich dabei manchmal etwas flotter über die Bühne bewegt, tut seiner ehrlichen Bewunderung für den großen Star keinen Abbruch. Wir möchten ihn auch gar nicht anders sehen, wir lieben ihn so, wie er ist.
Text und Foto: Kiesewetter/Hafner
LEO-Magazin Dezember 2010