Chronologisch von oben nach unten: Jubiläum 25 Jahre 2024, Auszeichnung Unternehmer des Jahres, Bericht 20 Jahre mit Bildergalerie Jubiläumsfeier 2019
Bunter Vogel
Modeladen Jubiläum Harald Lehmeier
Am dritten April-Samstag lud Harald Lehmeier in sein Männer-Modegeschäft zum 25jährigen Jubiläum ein. Zahlreiche Stammkunden kamen über den Tag verteilt herein, natürlich auch viele aus dem engsten Freundeskreis. So schauten auch Ex-Nationaltorwart Andreas Köpke und der fränkische Kabarettist Bernd Regenauer privat vorbei. Das wechselhafte Wetter gönnte dem Publikum auch viele Sonnenstrahlen für die Raucher vor dem Laden, extra zur Feier des Tages. Mit DJ Musik, Sekt/ Getränken, Fingerfood und Glücksrad verwöhnte Harald seine Gäste. Ganz in seinem Element gab es neben all dem Spaß auch fachkundige Beratungen. Am 25. März 1999 öffnete der Männer-Ausstatter in der Winklerstraße 1, direkt an der Pegnitz, in der Nähe des Hauptmarktes. Eigentlich sollte schon früher gefeiert werden, doch personelle Engpässe sorgten dafür, dass Harald das gesamte Tagesgeschäft längere Zeit komplett alleine bewältigen musste. „Es war eine ganz tolle Feier. Andi Köpke war vor 25 Jahren schon bei meiner Eröffnung dabei. Er ist ein feiner Mensch ohne Star-Allüren und ist normal geblieben. Ich bin mit ihm teilweise alt geworden, und es ist eine Freundschaft entstanden“, betont Harald, der sich zum Jubiläum auch eine Neugestaltung seiner Webseite gönnte. „Die ist großartig geworden!“
In den letzten fünf Jahren hatte auch Harald, wie alle in der Einzelhandelsbranche, mit den Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung, mit dem veränderten Arbeits- und Einkaufsverhalten der Menschen, sowie der wechselnden Produktionsweise seiner Lieferanten im Anschluss daran, zu kämpfen. „Wie früher ist überhaupt nix mehr. Der Großteil der Stammkunden kommt nach wie vor. Manche sind inzwischen in Rente oder Ruhestand, schauen aber weiterhin bei mir vorbei: ‚ich gönn mir was‘. Es ist eine persönliche Ebene. Inzwischen kommt mit meinen Kunden oft die ganze Familie, mit Ehefrau und Kindern. Das ist einmalig. Meinen langjährigen Kunden möchte ich einfach Danke sagen. Manche kenne ich schon 40 Jahre“, schwärmt Harald, der auch das Homeoffice deutlich zu spüren bekommen hat. „Den Business-Bereich haben wir seit zwei Jahren rausgenommen. Was geht, sind Pullover in Sakko-Form. Der Trend geht in die Freizeit-Richtung, alles soll bequemer sein, natürlich kunterbunt.“
Sein Baby
Neu ist für ihn, dass ihm seine Lieferanten oft Geduld abverlangen. Es gibt immer mehr davon, da stimmt die Bestellung der Waren bei einigen mit der Lieferung nicht mehr überein. Statt in Italien oder Europa wird plötzlich in China produziert, ein Tabu für Haralds Fachgeschäft und Kundschaft. Es steckt ein Berg von Arbeit im Hintergrund, damit auch die Ware in den Laden kommt, die passt. „Die Warenbeschaffung ist für uns schwieriger, wie geeignete Lieferanten und Produzenten zu finden. Neulich hat ein italienischer Produzent meine Bestellung von farbigen Cashmere-Pullovern storniert, weil sie ab sofort nur noch in grün, weiß oder beige produzieren“, berichtet Harald. „Nur mit Beige brauche ich meinen Kunden nicht zu kommen. Wir sind schon immer ein bunter Vogel und werden es immer sein.“ Mode-Messen gibt es so gut wie keine mehr. Die Beschaffung von neuer Mode läuft heute über Agenturen. Harald hat sich im Laufe der Jahre aber ein eigenes Netzwerk aufgebaut. So kommt es, dass sich Anbieter von selbst bei ihm melden, weil sie wissen, wann es ein Produkt für Harald Lehmeier ist. Die Netzwerkagenturen vertreten immer mehr Mode-Labels, was für ihn praktischer ist. Mit dem Auto ist er oft deshalb unterwegs, weil sich in München oder in Düsseldorf dieses Geschäft konzentriert. Schon jetzt vergießen Stammkunden riesige Tränen, wenn Harald Lehmeier irgendwann aufhören wird: „Wo soll ich denn dann einkaufen gehen?“ Natürlich spürt Harald auch verstärkt Zweisamkeitswünsche von seinem Lebenspartner Uwe. Wenn er z.B. ein kleines Kreuzfahrt-Angebot entdeckt, denkt er schon manchmal auch „das wäre mal schön.“ Aber noch gilt „mein ganzes Leben richtet sich nach dem Laden. Mein Laden ist mein Baby.“
Text Fotos: Norbert Kiesewetter
Weitere Fotos: Wolfgang Schmitt
GAYCON April 2024
Auszeichnung
GAYCON gratuliert: Am vierten November-Mittwoch wurde Harald Lehmeiers Fachgeschäft für Männermode als Unternehmen des Jahres 2019 ausgezeichnet! Der Handelsverband Bayern (HBE), Bezirk Mittelfranken, zeichnet alljährlich Einzelhandelsunternehmen aus, die sich in der Branche besonders durch Innovationskraft und Kreativität hervorheben. Aus den Händen von HBE Bezirksgeschäftsführer Uwe H. Werner bekam Lehmeier die große Glasskulptur überreicht. „Es ist die Krönung meiner textilen Laufbahn. Ich hab mich extrem gefreut. Es ist auch eine Auszeichnung für mein Lebensweg“, freut sich Harald, der schon vor fünf Jahren als einziger Männermode-Unternehmer zum „Meisterhändler“ vom Verein Erlebnis Nürnberg ernannt wurde. „Bevor ich vor ein paar Wochen den Anruf bekam, wusste ich überhaupt nicht, dass es so eine Auszeichnung gibt.“ Eine Jury forscht nach innovativen Einzelhandelsunternehmen. Anschließend werden die Kandidaten der engeren Wahl vor Ort unter die Lupe genommen. „Es ist bisher noch nicht vorgekommen, aber gerne könnten auch Kunden innovative Läden direkt beim Verband melden. Dann schauen wir uns diese genauer an“, betont Uwe H. Werner. Am Abend wurde noch im Schindlerhof in Nürnberg-Boxdorf groß gefeiert. Dort gab es neben Glückwünschen von der Stadt Nürnberg noch eine große Urkunde im Beisein von Bürgermeister Christian Vogel und Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas. „Gerade die Fähigkeit des Unternehmens, sich auf veränderte Marktsituationen und Kundenwünsche einzustellen und durch permanente Anpassung und Innovation die Unternehmenszukunft zu sichern, ist nach Auffassung der Jury einen herausragende Leistung des Unternehmens im Sinne von Best Practice und beispielgebend für die Einzelhandelsbranche“, so der Wortlaut aus der Presseerklärung. GAYCON freut sich, dass mit Harald Lehmeier gleichzeitig ein Unternehmer aus der queeren Community ausgezeichnet wurde.
Foto/ Text: NK
GAYCON November 2019
Kein Stoff für graue Mäuse
Jubiläum: 20 Jahre Mode anders!
Am heutigen prominenten Standort einst eine Vision entwickeln, sich gegen die Konkurrenz der großen Modehäuser abgrenzen und aktuell nicht über Internetkonsum klagen. Und das ‚nur‘ mit Männermode! Wir wollten es genauer wissen! GAYCON beim Hausbesuch im „Männer“-Laden von Harald Lehmeier.
„Ich habe spezielle Kunden, die wollen bedient werden. Das Erlebnis Einkauf mit persönlicher Note. Wichtig ist, dass meine Markenauswahl nicht gleichermaßen in den anderen Läden der Stadt verteilt ist. Dafür sorgen Verträge für Nürnberg und Umgebung. Außerdem werden diese Produkte auch nicht im Internet angeboten. Ohne exklusives Sortiment hätte ich in Nürnberg nicht überlebt“, betont Harald Lehmeier (57). „Ich kaufe grundsätzlich für meine Kunden ein und fahre damit gut. Der Einzugsbereich ist nicht nur regional begrenzt, sondern reicht von Berlin über München bis Österreich. Manche kommen seit 20 Jahren nach Nürnberg, viele wegen der breiten Sortimentsmischung.“ Haralds Markenzeichen ist die individuelle Typberatung. Damit erfüllt er sich eine seiner wichtigsten Philosophien, „die Kunden modischer heimzuschicken als sie es wollten“. Dabei verkleidet er natürlich niemanden, die Nuancen herauszufinden macht ihm einfach Spaß. Für die Auswahl an Hosen, Hemden, Jacken, Anzügen und Schuhen sorgt ein Netzwerk an Rädchen mit engen persönlichen Kontakten zu Modeimperien und Handelsagenturen. Ebenso ist der Besuch der Berliner Fashion Week in jedem Jahr ein wichtiger Termin. Designer melden sich bisweilen selber, weil sie wissen, mit verrückten Sachen rennen sie bei Harald offene Türen ein. „Zu meiner Philosophie gehört auch, dass die Produkte in Europa produziert werden, aktuell überwiegend in Italien. Öko-Kaschmir kommt bombig an und ist aktuell der Renner. Gelegentlich lässt sich ein außereuropäisches Herkunftsland nicht vermeiden, aber ich tue mein Bestes“, erklärt Harald, dem es gefällt, dass sein Geschäft schon von der Fleischbrücke aus gesehen wird. „Die Schaufenster gestalte ich immer selbst. Mir ist es wichtig, dass sie sich von anderen unterscheiden.“
Die Wurzeln des Erfolgs
Vor zwanzig Jahren sah der Standort noch ganz anders aus. Enge Bürgersteige, Autoverkehr, Parkplätze, das Fleischhaus als Lager für Marktstände. „Viele hatten von dem Standort abgeraten. Dann kommen die Leute eben wegen mir, das war meine Überzeugung“, erinnert sich Harald. „Der Vorgänger im Laden war ein Maßschneider. Die Räume überdauerten 25 Jahre im Originalzustand. Ich habe mit meiner Selbstständigkeit fast bei Null angefangen, mit 20.000 DM als Startkapital. Doch es ist und war immer mein Traumberuf.“ Vor der Eröffnung am 25. März 1999 wurde mit Unterstützung von Familie und Freunden eine komplette Renovierung durchgezogen. Am ersten Tag waren 450 Gäste vor Ort. Bei vielen Firmen hatte er sich in seiner beruflichen Laufbahn schon Vertrauen erspielt und konnte deshalb erste Kollektionen mit Zahlungsziel bevorraten. Bereits nach fünf Jahren wurde der Verkaufsraum erweitert und modernisiert. Die neue Beleuchtung, Eingangstür, Decke und Markise hatten ihn ein kleines Vermögen gekostet. Mit der Immobilie geht er um, als wenn es seine eigene wäre. „Es gibt eine Mietpreisbremse fürs Wohnen, aber nicht für Gewerbe“, macht sich Harald so seine Gedanken über die Zukunft, denn inzwischen gab es einen Eigentümerwechsel.
Nürnberg, seine Stadt
Aufgewachsen ist der kleine Harald in der Nürnberger Südstadt bei St. Peter, später in der Nähe der Christuskirche. Die Wiesenschule und die ehemalige Hauptschule am Herschelplatz waren sein Revier. Den geplanten Realschulabschluss ersetzte er salopp mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss, dafür aber als Bester seiner Schule mit einem Notendurchschnitt von 1,2 . „Ich wusste damals schon, irgendwann machst du dich sowieso selbstständig“, erinnert sich Harald. „Mit 37 Jahren habe ich es schließlich geschafft.“ Doch vorher stand noch eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann im Textilbereich auf dem Plan. Für extra Wünsche konnten die Eltern, Busfahrer und Frührentnerin, leider nicht einspringen. Der heutige Mode-Chef verdiente sich deshalb als Aushilfe im Reformhaus oder als Wochenend-Bedienung in der Gaststätte „Omas Küche“ das Geld dazu, das er für stilsichere Kleidung oder sein rotes Cabrio brauchte. „Erdbeerkörbchen haben meine Freunde dazu gesagt“. Kundenumgang, Beratung und Schaufenstergestaltung sind die Grundsteine, die er sich acht Jahre lang als Verkäufer bei Herrmans Hosen in der Ostermayr Passage aneignete. Ohne es richtig zu merken, baute er sich einen Ruf auf. „Das vergesse ich nie. Plötzlich stand der Chef von Mandy-Damenmoden vor mir. Er hätte nur Gutes über mich gehört. Für einen neuen Herrenladen auf 90 qm in der Brunnengasse im 1. Stock bot er mir einen Job an. Ohne meinen aktuellen Verdienst zu kennen, für 500 DM mehr im Monat“, erinnert sich Harald an die kuriose Abwerbesituation. „Er gab mir den Handlungsspielraum eines Geschäftsführers. Die geplanten Umsatzzahlen wurden schon nach drei Monaten übertroffen. Hier habe ich viel über Umsatz und Geld gelernt. Viele spezielle Produkte wurden nur für den Laden produziert.“ Nach acht Jahren ist sein Chef und guter Freund verstorben. Die Ehefrau verkaufte den Laden. Freunde rieten es Harald schon lange, doch nun war es an der Zeit für die Selbständigkeit. Vor der heutigen Winklerstraße in Nürnberg machte er noch einen Abstecher nach Mönchengladbach. „Doch meine drei ‚neuen‘ Modeläden waren heruntergewirtschaftet. Jedes Wochenende zog es mich zurück nach Nürnberg, jedes Mal 1000 Kilometer Fahrt. Ich hatte ständig Heimweh und habe es genau 360 Tage ausgehalten“, erinnert sich Harald an seine einzige lange Zeit außerhalb der Heimat. „Nürnberg, das ist meine Stadt. Da bin ich zu Haus. Das ist mir in dieser Zeit richtig bewusst geworden. Für drei bis vier Tage bin ich gerne beruflich oder privat in München oder Berlin. Aber dauerhaft bin ich lieber in Franken.“
Coole Zeit
Nachdem Harald im Alter von 19 Jahren in die erste eigene Wohnung zog, ließ auch die erste feste Beziehung nicht lange auf sich warten. Zu seinem damaligen Freund, ebenfalls aus der Modebranche, hat er noch heute einen guten Kontakt. Sein Coming out bezeichnet er als heftig in einer Zeit des Verheimlichens, wo vor Einlass in Lokale wie das Savoy oder Why Not noch geklopft oder geklingelt werden musste. „Im Why Not trafen sich Nutten, Zuhälter, Schwule und schrille Typen. Es war aber auch eine coole Zeit“, erinnert er sich. Beim Faschingsball im Lessing-Saal des Deutschen Hofs hat er im sexy Frauenkostüm manchen Heteros den Kopf verdreht. „Ihr glaubt nicht, wie viele Telefonnummern ich bekommen habe! In hochhackigen Schuhen laufen war kein Problem für mich, nach vielen Jahren Training im Formationstanz“, schmunzelt Harald. „Heute lebe ich offen und verstecke mich nicht. Dafür baggern mich gelegentlich Mädels an. Für viele bin ich der Verrückte mit dem Männerladen.“ In aller Stille feiert er mit seinem Lebenspartner Uwe noch ein zweites schönes Jubiläum in diesem Jahr, sie sind seit zehn Jahren zusammen. Schicksalstag war der 9. April 2009 im Lokal Bert´s in der Südstadt. „Ich saß in der Kneipe meines besten Freundes und klagte ihm meinen Frust darüber, dass ich gerne eine Beziehung hätte. Bert ließ mich in diesem Zustand nicht heim und hat mir immer wieder nachgeschenkt“, grinst Harald. „Uwe hatte in der Meistersingerhalle gearbeitet und konnte an diesem Tag früher raus. Auch ihn zog es ins Bert’s und so kam es, dass wir plötzlich nebeneinander saßen.“ Das Schicksal arrangierte die Zeiten genau richtig. Heute gehen sie gerne gemeinsam auf zahlreiche Veranstaltungen in der Nürnberger Community. Haralds eigene Feier zum 20. Firmenjubiläum Ende März hat beiden viel Spaß bereitet. Zahlreiche Freunde, Stammkunden und Geschäftspartner schauten vorbei. Zukunftspläne: Sieben Jahre will er seinen Laden noch behalten. Was bei ersten Stammkunden schon die Frage auslöst, wo sie sich denn anschließend unter Fachberatung in die bunten schrillen Stoffe werfen sollen. Der trotz allen Erfolgs völlig normal und sympathisch gebliebene Herrenausstatter nimmt‘s gelassen: „Wenn bis dahin alles so läuft wie bisher, dann bin ich zufrieden.“
Foto/ Text: Norbert Kiesewetter
GAYCON April 2019